Die Opposition wirft der Regierung Wahlbetrug vor - Regimegegner verhaftet.
Rund 20.000 Demonstranten waren am Sonntagabend ins Zentrum von Minsk geströmt, um gegen das in ihren Augen eklatant gefälschte Ergebnis der Präsidentenwahl zu protestieren. Die regimetreue Wahlkommission hatte dem Amtsinhaber 79,67 Prozent der Stimmen zugesprochen. Unabhängige und oppositionsnahe Demoskopen ermittelten dagegen Zahlen zwischen 30 und 40 Prozent für Lukaschenko. Er hätte demnach in eine Stichwahl gegen Nekljajew gehen müssen, der diesen Umfragen zufolge auf 10 bis 15 Prozent kam.
"Letzter Diktator Europas"
Doch der seit 16 Jahren in Weißrussland mit eiserner Faust regierende Alexander Lukaschenko war seinem Ruf als "letzter Diktator Europas" einmal mehr gerecht geworden. Quellen berichten, dass die wichtigsten Lukaschenko-Herausforderer - Wladimir Nekljajew, Andrej Sannikow, Witali Rymaschewski und Nikolai Statkjewitsch - vom Geheimdienst KGB an unbekannte Orte verschleppt worden seien. Nekljajew und einige seiner Gefolgsleute waren am Sonntagabend krankenhausreif geprügelt worden. Rymaschewski erlitt Kopfverletzungen, als die aufgebrachte Menge versuchte, die Zentrale Wahlkommission im Regierungsviertel in Minsk zu stürmen. Spezialeinheiten des Innenministeriums lösten die Kundgebung schließlich unter massivem Gewalteinsatz auf.
Lukaschenko: Polizei gegen "Barbarei und Zerstörung"
Das weißrussische Innenministerium erklärte indes, unbewaffnete Polizisten seien auf eine wütende Menge gestoßen. "Die Menge bewegte sich mit dem Ergebnis auf die Sicherheitskräfte zu, dass einige Polizisten verletzt und ins Krankenhaus gebracht werden mussten." Lukaschenko selbst bezeichnete die Opposition als "Banditen", die Polizei habe sich "Barbarei und Zerstörung" entgegengestellt.
Insgesamt 639 Demonstranten befänden sich noch am Montagabend in Minsk in Gewahrsam, sagte Lukaschenko bei einer Pressekonferenz. Er bestätigte, dass auch Oppositionskandidat Wladimir Nekljajew unter den Festgenommenen ist.
Nekljajew sei "nicht entführt und irgendwohin fortgebracht worden", sondern befinde sich in Gewahrsam, führte Lukaschenko aus. "Du bist schuldig, Du wirst Dich für Deine Taten verantworten müssen", sagte er an Nekljajew gerichtet.
GUS erkennt Wahl an
Der russische Staatschef Dmitri Medwedew sah die Vorfälle als innere Angelegenheit Weißrusslands. Er hofft aber auf eine demokratische Entwicklung in dem Nachbarland, wie er am Montag sagte. Freundlich urteilten auch die Wahlbeobachter der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). "Wir haben gesehen, dass die Wahl transparent und demokratisch war", sagte ihr Leiter Sergej Lebedew. Die GUS-Mission sehe keinen Grund, die Legitimität der Wahl in Zweifel zu ziehen.
Spindelegger: "Chance nicht genützt"
"Es ist bedauerlich, dass die Führung in Minsk die Chance, die die Wahlen für Weißrussland bedeutet haben, nicht genützt hat. Wenngleich die Wahlen zumindest punktuelle Fortschritte gezeigt haben, sind im Wahlprozess weiterhin deutliche Defizite aufgetreten. Die massive Gewaltanwendung gegen Demonstranten kann aber keinesfalls hingenommen werden", so der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP). Besorgt zeigte sich Spindelegger am Montag über Meldungen aus Weißrussland, die von brutalen Polizeieinsätzen gegen Demonstranten nach dem Ende der Präsidentenwahlen vom Sonntag berichteten.
"Weißrussland nicht isolieren"
Der Außenminister wies darauf hin, dass sich die EU sehr intensiv mit der Situation in Belarus und der künftigen Gestaltung der Beziehungen Brüssels zu Minsk beschäftigen werde müssen. "Wir wollen Weißrussland nicht isolieren, wir werden aber auf die Umsetzung selbstverständlicher Werte und Rechte bestehen, wenn das Verhältnis zur Union nachhaltig verbessert werden soll", so Spindelegger.
Kritik aus dem Westen
Die USA haben die Umstände der Wiederwahl Lukaschenkos scharf kritisiert. Das Weiße Haus in Washington machte in einer Mitteilung klar, das von der Wahlkommission in Minsk bekanntgegebene Resultat der Präsidentenwahl nicht als rechtmäßig anzuerkennen.Die Festnahme von oppositionellen Präsidentenkandidaten und Protestierenden sowie die Einschränkung der Pressefreiheit in Weißrussland nach der Wahl stellten einen klaren Rückschritt für die Beziehung zwischen beiden Ländern dar.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) attestierte dem Land am Montag ein gravierendes Demokratiedefizit.