Jean Asselborn kritisiert die Lage in der Türkei scharf.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat die aktuellen Entwicklungen in der Türkei mit denen in der Nazi-Zeit verglichen. Zum Vorgehen gegen Regierungsgegner unter dem von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ausgerufenen Ausnahmezustand sagte Asselborn im Deutschlandfunk: "Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden."
Beitrittsverhandlungen
Die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Regierung in Ankara seien bereits jetzt "theoretisch" ausgesetzt. Asselborn brachte am Montag zudem mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Ankara ins Spiel.
"50 Prozent der Exporte der Türkei gehen in die Europäische Union", sagte der Minister. "60 Prozent der Investitionen in die Türkei kommen aus der Europäischen Union. Das ist ein absolutes Druckmittel. Und in einem gewissen Moment kommen wir nicht daran vorbei, dieses Druckmittel einzusetzen, um die unsägliche Lage der Menschenrechte zu konterkarieren."
Asselborn gab zu einem möglichen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen zu bedenken, "dass es Millionen Menschen in der Türkei gibt, die glauben, dass die einzige Hoffnung, um aus diesem Loch herauszukommen, die Europäische Union ist".
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betonte am Montag im Ö1-Radio, dass die drei Milliarden Euro, die für die Türkei im EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen vorgesehen sind, "ganz klar (...) nicht fließen" werden, wenn die Bedingungen des Abkommens von der Türkei nicht eingehalten werden. Kurz plädierte die Außengrenzen "selbst zu schützen", um nicht "in Abhängigkeit gegenüber dieser Türkei" zu kommen.
Kein verlässlicher Partner
"Wenn man sich auf diese Türkei verlässt, ist man verlassen", sagte Kurz. Die Flüchtlingspolitik Australiens solle nach Ansicht von Kurz als Vorbild herangezogen werden, dass Menschen, die versuchen illegal einzureisen an der Grenze "gestoppt, versorgt und in einen sicheren Drittstaat oder in das Herkunftsland zurückgestellt" werden. Zu Drohungen aus der Türkei, den Flüchtlingspakt mit der EU zu kündigen, wenn es nicht zu der verabredeten Visa-Freiheit für ihre Bürger kommen sollte, sagte Kurz der "Passauer Neuen Presse" (Montag): "Damit dürfen wir uns nicht erpressen lassen."
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sagte im Ö1-Radio am Montag das australische Flüchtlingsmodell "ist selbst dort gescheitert". Die angespannte Beziehung zur Türkei kommentierte er mit den Worten: "Es ist Erdogan, der die Brücken abbricht".
Die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun meinte in einer Aussendung: "Von Anfang an haben wir gesagt, dass dieser Deal mit Erdogan, gegen Geld aus der EU Flüchtlinge fernzuhalten, nicht funktionieren wird und menschenrechtswidrig ist. Der Außenminister, der im Parlament mit Aussagen wie 'Wir bezahlen die Türken dafür, dass sie das tun, was wir selber nicht tun wollen' diesen Deal verteidigt hatte, stellt seit einigen Monaten nun fest, dass der Deal nicht halten wird."
Die deutsche Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte einen Ausstieg aus dem Flüchtlingsabkommen der Türkei mit der EU. Es sei "höchste Zeit", diesen "Flüchtlings-Abwehr-Deal" zu beenden statt sich von Erdogan vorführen, beschimpfen und erpressen zu lassen "und ihn dadurch ja nur zu unterstützen", sagte Roth am Montag im Radiosender Bayern 2.
Roth verlangte eine laute, klar und deutliche Reaktion seitens der deutsche Bundesregierung und der EU auf das Vorgehen gegen Journalisten und Oppositionelle. Auch die Nato, die sich ja als "Wertegemeinschaft" verstehe, sei gefordert: "Ich finde, dass die Stationierung von deutschen Bundeswehrsoldaten in Incirlik schnellstmöglich auf den Prüfstand gehört", sagte die Grünen-Politikern.