Max Zirngast
Austro-Journalist aus Haft in Türkei entlassen
25.12.2018Max Zirngast durfte die Türkei aber vorerst noch nicht verlassen.
Der im September in der Türkei festgenommene österreichische Journalist Max Zirngast hat am späten Montagabend das Gefängnis in Ankara verlassen. Der 29-Jährige wurde allerdings bis zur Ausstellung eines Dokuments, das ihm die Ausreise aus der Türkei verbietet, zu einer Polizeistation gebracht, teilte Außenministeriumssprecher, Peter Guschelbauer, der APA mit. Am Dienstag soll er freikommen.
Die türkischen Behörden könnten das fehlende Dokument nämlich erst morgen ausstellen. Die Entlassung Zirngasts am Heiligen Abend erfolgte unter bestimmten Auflagen. Neben dem Ausreiseverbot müsse sich der Journalist vermutlich auch regelmäßig bei der Polizei melden, erklärte Guschelbauer den jetzigen Stand der Informationen. Unklar bleibt, ob auch Hausarrest über Zirngast verhängt wird.
Prozess im April
Ein Anwalt des Österreichers hatte am Montagnachmittag mitgeteilt, Zirngast müsse sich wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor Gericht verantworten. Der Prozess beginnt demnach am 11. April 2019. Das türkische Gericht akzeptierte seinen Anwälten zufolge am Montag die Anklageschrift, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Laut früheren Angaben drohen bei einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.
Auf die APA-Anfrage, ob bereits eine Anklage gegen den Österreicher vorliege, antwortete Außenamtssprecher Guschelbauer, es sei weiter unklar, was die türkischen Behörden dem Journalisten "genau" vorwerfen. Angesprochen auf die offenbar stattgegebene Anklageschrift sagte er, deren Inhalt sei unbekannt.
Seit September in Haft
Zirngast war im September in der Türkei festgenommen worden. Der 1989 geborene Steirer studiert seit 2015 Politikwissenschaft an der Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara und schreibt für verschiedene Medien in der Türkei und im Ausland, darunter das deutschsprachige linksradikale Magazin "re:volt". Dabei setzte er sich kritisch mit dem Verhältnis der Türkei zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK auseinander und verfasste regierungskritische Texte.
Am Weihnachtsabend versammelten sich Familie und Freunde vor dem Hochsicherheitsgefängnis Sincan, um den Studenten feierlich in Empfang zu nehmen, wie auf dem Twitteraccount der Solidaritätskampagne #FreeMaxZirngast zu sehen ist: "So lange haben sie alle auf Max Zirngast gewartet. Nun endlich ist es soweit. Familiy und friends, hoffentlich zum letzten Mal am Warten vor dem Gefängnis." Wenige Stunden später verließ der 29-Jährige die Haftanstalt.
Unklare Vorwürfe
In einem vergangenen Monat in der "Washington Post" erschienenen Artikel schrieb Zirngast, dass die Behörden ihn wegen Büchern befragt hätten, die sie in seiner Wohnung gefunden hatten, sowie zu einem von ihm verfassten Artikel im linksgerichteten US-Magazin "Jacobin", in dem er Präsident Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben soll.
Der Präsident des Landesgerichts für Strafsachen Wien, Friedrich Forsthuber, hatte erst jüngst zum Fall Zirngast erklärt: "Es ist von Beweisen die Rede, die sich durch die Unterlagen von Zirngast ergeben sollen. Diese werden aber ebenso nicht genannt wie die Terrororganisation, der er angeblich angehören soll."
Nicht zuletzt wegen der unklaren Vorwürfe gegen den Österreicher forderten österreichische Politiker wiederholt die Freilassung von Zirngast. Anfang Dezember bezeichnete Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) das Vorgehen Ankaras in diesem Fall sowie in anderen derartigen Fällen für "inakzeptabel". Wir erwarten uns ein rechtsstaatliches Vorgehen und das wäre meiner Meinung nach die sofortige Freilassung", sagte Kurz.
"Erster wichtiger Schritt"
Für Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) ist die Enthaftung Zirngasts am Montagabend ein "erster wichtiger Schritt". "Wir werden uns weiterhin für die möglichst rasche Abwicklung des Strafverfahrens einsetzen", teilte Kneissl der APA mit. Erfreut zeigte sich Kneissl, dass "unsere umfangreichen Bemühungen in diesem Fall konkrete Früchte tragen".
Das Gericht ordnete auch die Enthaftung der Aktivisten Hatice Goz und Mithatcan Turetken an. Den beiden türkischen Staatsbürgern, die in Zusammenhang mit dem Fall Zirngast festgenommen wurden, wird dem Anwalt zufolge ebenfalls die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und einigen europäischen Staaten - darunter auch Österreich - sind seit dem gescheiterten Putscherversuch gegen Präsident Erdogan 2016 äußerst angespannt. Türkische Behörden haben seitdem rund 160.000 Menschen festgenommen, darunter viele Journalisten, und fast genau so viele Beamte entlassen.