Nahost
Baerbock fordert mehr Schutz vor Gewalt israelischer Siedler
08.01.2024Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hat von der israelischen Regierung verlangt, die Palästinenser im Westjordanland besser vor Übergriffen israelischer Siedler zu schützen und Gewalttaten zu ahnden.
"Es ist die Verantwortung der israelischen Regierung, bei Angriffen auf Menschen, die hier legitim wohnen und illegal angegriffen werden, den Rechtsstaat umzusetzen und durchzusetzen", sagte die Grünen-Politikerin am Montag beim Besuch einer palästinensischen Gemeinde.
Es sei die Verantwortung der israelischen Armee, die Palästinenserinnen und Palästinenser vor gewalttätigen Siedlern zu schützen. Die Außenministerin ließ sich die Situation der Menschen in der palästinensischen Ortschaft Al-Masraa al-Kiblija nordwestlich von Ramallah schildern. Der Ort mit gut 5000 Einwohnern ist von mehreren israelischen Siedlungen umgeben.
Ein betroffener Landwirt schilderte unter anderem, er könne seine Gemüse- und Obstfelder nicht mehr bestellen, weil die Siedler Straßen gesperrt und ihn und seine Familie angegriffen hätten. Man habe ihm auf den Kopf geschlagen und er sei mit Pfefferspray besprüht worden. Auch seine Töchter seien attackiert worden, schilderte der 70 Jahre alte pensionierte Lehrer. Die Israelis hätten versucht, Häuser in Brand zu setzen und ihn aus seinem Haus vertrieben, das in einem Tal zwischen der palästinensischen Ortschaft und der Siedlung liegt. Die Siedlergewalt habe nach der Terrorattacke der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober noch einmal zugenommen.
Während des Besuches wurden Baerbock und ihre Delegation von einer offensichtlich von israelischen Siedlern gestarteten Drohne beobachtet. Die Vorsitzendes einer Schutzvereinigung für das Westjordanland, Allegra Pacheco, sagte, seit dem 7. Oktober seien rund 1.200 Palästinenser im Westjordanland von ihrem Land vertrieben worden. Ein künftiger Waffenstillstand für den Gazastreifen müsse auch das Westjordanland umfassen.
Das, was um die Ortschaft im Westjordanland passiere, sei "illegal, unter israelischem Recht und illegal unter internationalem Recht", sagte Baerbock. Der Anstieg an Gewalt im Westjordanland seit dem 7. Oktober "zeigt auch: Stabilität in Gaza und im Westjordanland sind eng miteinander verknüpft."
Die Außenministerin unterstrich die Forderung nach einer Zweistaatenlösung zwischen Israel und den Palästinensern. Sie betonte: "Der Siedlungsbau ist illegal. Er untergräbt den dauerhaften Frieden und gefährdet die Zweistaatenlösung und gefährdet damit auch die Sicherheit Israels." Mit Zweistaatenlösung ist gemeint, dass Israel und ein unabhängiger, demokratischer Palästinenserstaat friedlich nebeneinander leben.
In Ramallah traf Baerbock den palästinensischen Außenminister Riad al-Maliki. Im Sechs-Tage-Krieg hatte Israel 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. Dort leben inzwischen Hunderttausende Siedler inmitten von rund drei Millionen Palästinensern. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat.
Am Nachmittag wollte die Außenministerin in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv unter anderem mit Menschen aus dem Norden Israels sprechen, die im Konflikt mit der Schiitenmiliz Hisbollah im Libanon aus ihrer Heimat flüchten mussten. Zudem war ein Treffen mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant geplant. Auch dabei dürfte es um die Eskalation im Konflikt zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hisbollah gehen. Israel reagiert mit Angriffen auf Stellungen der vom Iran unterstützten Schiitenmiliz Hisbollah.
Am Abend stand die Weiterreise nach Ägypten auf dem Programm. Dort ist am Dienstag unter anderem ein Treffen mit Außenminister Sameh Shoukry vorgesehen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war der beispiellose Überfall der islamistischen Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen auf Grenzorte in Israel am 7. Oktober. Dabei wurden nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet und rund 240 Menschen in den Gazastreifen entführt. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde inzwischen auf mehr als 23.000 gestiegen, mehr als 59.000 Menschen wurden demnach verletzt.