Flucht aus Japan
Banker verlassen Tokio aus Angst vor GAU
16.03.2011
In der Hauptstadt gibt es längst keinen "business as usual" mehr.
Aus Angst vor radioaktiver Verstrahlung verlassen ausländische Banker in großer Zahl die japanische Finanzmetropole Tokio. Seit der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vergangenen Freitag haben bereits viele Mitarbeiter ihre Sachen gepackt und dem Land den Rücken gekehrt. Offiziell jedoch weisen ausländische Banken Spekulationen über eine Massenflucht von Mitarbeitern aus einem der wichtigsten Finanzzentren der Welt zurück.
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"Kaum möglich, Investoren zu erwischen"
"Die Präsenz ausländischer Banker in Tokio ist mittlerweile sehr dünn, was je nach Dauer ihrer Abwesenheit größere Folgen haben kann", sagte ein Kredit-Banker eines US-Hauses am Mittwoch der Thomson-Reuters-Tochter IFR. Ein Kollege eines europäischen Instituts ergänzte: "Wer auf Dienstreise ist, wird mit Sicherheit bei der Zentrale nachfragen, ob er nicht etwas länger fortbleiben kann."
In Tokio verbliebene Banker berichten von erschwerten Arbeitsbedingungen. "Von business as usual kann nicht die Rede sein", sagte ein Banker eines US-Hauses. Die Handelsräume seien dünn besetzt, es gebe immer wieder Stromausfälle und die Kommunikation sei schwierig. "Es ist seit dem Beben nahezu unmöglich, dort noch Investoren zu erwischen", betonte ein US-Banker aus dem sicheren Hongkong.
Nach dem Beben haben Explosionen das Atomkraftwerk Fukushima 240 Kilometer nördlich von Tokio stark beschädigt. Dabei ist bereits Radioaktivität ausgetreten. Dutzende Arbeiter versuchten am Mittwoch, in dem Reaktor eine Atomkatastrophe zu verhindern, von der auch Tokio betroffen sein könnte. Zahlreiche deutsche Firmen, darunter SAP und Infineon, haben ihre Mitarbeiter schon aus der Region abgezogen.
"Jeder versucht, hier wegzukommen"
IFR sprach mit 14 Bankern aus dem Anleihe- und Aktiengeschäft mehrerer Großbanken, die aus Sicherheitsgründen nach Hongkong, Singapur oder Seoul geflogen sind. Bei den meisten europäischen und amerikanischen Häusern sind zwar nur weniger als zehn Prozent der Mitarbeiter in Japan Ausländer, aber diese sind oft in führenden Positionen. "Letztendlich kann jeder Mitarbeiter selbst entscheiden, ob er geht oder bleibt", sagte ein Banker einer europäischen Investmentbank. Auf die Frage, wer sich fürs Gehen entscheide, meinte er: "Wer würde das nicht? Jeder versucht doch, hier wegzukommen."
IBA: Keine Geschäftsbereiche geschlossen
Die in Tokio ansässige International Bankers Association (IBA) - eine Vereinigung von Großbanken wie der Deutschen Bank, Credit Suisse und UBS - erklärte dagegen im Namen von 16 Häusern: "Kein Institut hat Geschäftsbereiche geschlossen oder alle Mitarbeiter in Sicherheit gebracht." Ähnliches war von den einzelnen Häusern zu hören. Ein Sprecher der Deutschen Bank, die Asien zur Wachstumsregion Nummer eins erklärt hat, betonte, die Lage in Japan werde genau beobachtet. Das Institut beschäftigt mehr als 1.100 Mitarbeiter in Japan.
Die Citigroup und JP Morgan räumten zwar ein, einige Banker wollten das Land verlassen oder hätten dies bereits getan. Es gebe aber keine Verlagerungen ganzer Geschäftsbereiche. Noch ist offen, welche Folgen die Katastrophe auf die japanische und asiatische Wirtschaft und damit auch auf die dortigen Geschäfte der Geldhäuser haben wird.