Syrien-Diktator
Bashar al-Assad: Vom Hoffnungsträger zum Schlächter
08.12.2024Machthaber hielt sich lange trotz Bürgerkrieg dank der Unterstützung Russlands und des Iran an der Macht - Polizei- und Geheimdienstregime kollabiert und von Rebellen zum Einsturz gebracht
Fast ein Vierteljahrhundert hat Bashar al-Assad in Syrien geherrscht, in mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg hielt er sich eisern an der Macht. Die überraschende Offensive, die islamistische Kämpfer der Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und verbündete Verbände am 27. November begannen, bereitete seiner Herrschaft nun aber binnen weniger Tage offenbar ein Ende. Wie die islamistischen Kämpfer und Aktivisten erklärten, floh der syrische Machthaber am Sonntag.
"Der Tyrann Bashar al-Assad ist geflohen", verkündeten die islamistischen Kämpfer Sonntagfrüh im Onlinedienst Telegram. Ihr Einmarsch in die Hauptstadt Damaskus bedeute "das Ende dieser dunklen Zeit und der Beginn einer neuen Ära für Syrien". Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, Assad habe Syrien über den internationalen Flughafen von Damaskus verlassen.
Macht vom Vater übernommmen
Der beute 59-Jährige hatte die Macht im Land im Jahr 2000 von seinem kurz zuvor verstorbenen Vater Hafez al-Assad übernommen. Ursprünglich war sein älterer Bruder Bassel als Nachfolger bestimmt gewesen, dieser starb jedoch 1994 bei einem Autounfall.
Bashar al-Assad beendete daher sein Medizinstudium in London und kehrte heim. Dort ließ er sich militärisch ausbilden und von seinem Vater auf die Regierungsgeschäfte vorbereiten, statt Augenarzt zu werden und mit seiner syrisch-britischen Frau Asma und seinen drei Kindern ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtetes Leben zu führen.
Nach dem Tod seines Vaters wurde Assad in einem Referendum ohne Gegenkandidaten zum neuen syrischen Staatschef bestimmt. Als der damals 34-Jährige für das Amt vereidigt wurde, verbanden viele Syrer damit die Hoffnung, dass er die jahrelange Unterdrückung und den unter seinem Vater etablierten Überwachungsstaat beenden und eine Liberalisierung der Wirtschaft einleiten werde.
Säkulares Geheimdienst- und Polizeiregime blieb aufrecht
Tatsächlich lockerte er einige der umfangreichen Restriktionen, die sein Vater seit Beginn seiner Herrschaft 1970 verfügt hatte. Außerdem inszenierte der Alawit sich als Beschützer der verschiedenen Minderheiten im Land. Doch sein Image als bürgernaher Reformer verflüchtigte sich schnell.
Unter Bashar al-Assads Herrschaft, die bei der Präsidentschaftswahl 2007 verlängert wurde, wurden Intellektuelle und andere Regierungskritiker inhaftiert. Als der Arabische Frühling im März 2011 Syrien erreichte, forderte die Bevölkerung in friedlichen Protesten einen Wandel. Doch Assad, Präsident und Oberbefehlshaber der syrischen Armee zugleich, ließ die Proteste brutal niederschlagen. Ein Bürgerkrieg brach aus, in dem mehr als eine halbe Million Menschen getötet und die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen wurden.
Assad blieb dennoch hart. In zahllosen Karikaturen wurde der stets so ruhig auftretende und oftmals schüchtern wirkende Machthaber als Mörder dargestellt, insbesondere nach den Giftgasangriffen auf Rebellenhochburgen rund um Damaskus im Jahr 2013.
Dennoch wurde Assad in mehreren Wahlen im Amt bestätigt. Allerdings wurden diese nur in von seiner Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, Menschenrechtsgruppen und westliche Länder warfen Assad immer wieder vor, dass die Wahlen weder frei noch fair seien.
Unterstützer Russland und Iran
Um sich in dem Bürgerkrieg an der Macht zu halten, suchte Assad nicht nur beim Iran und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon, sondern auch bei Russland Unterstützung. Das Eingreifen Moskaus mit massiven Luftangriffen in Syrien hielt Assad 2015 an der Macht. Dem Volk und dem Ausland präsentierte er sich als Syriens einzig möglicher Machthaber angesichts der Bedrohung durch islamistische "Terroristen".
Um Regierungskritiker wegzusperren, baute Assads Sicherheitsapparat baute ein Netzwerk aus Haftzentren auf. Sie waren berüchtigt wegen der Misshandlung von Häftlingen.
Assad hat immer wieder behauptet, der Bürgerkrieg in Syrien werde von ausländischen Mächten orchestriert. Diesen Vorwurf erneuerte er nach dem Beginn der Überraschungsoffensive der islamistischen Kämpfer rund um HTS. "Die terroristische Eskalation spiegelt die langfristigen Ziele wieder, die Region zu spalten und die Länder darin zu zersplittern und die Landkarte in Übereinstimmung mit den Zielen der USA und des Westens neu zu zeichnen", sagte er am Montag.
Wohin geht die Flucht?
Nachdem Assad offenbar außer Landes geflohen ist, wird er sich aber damit auseinandersetzen müssen, dass er nach jahrzehntelanger unerbittlicher Herrschaft nicht nur die Unterstützung des syrischen Volkes, sondern auch den sicher geglaubten bedingungslosen Rückhalt der Armee verloren hat.