Aktionswoche
Bauernproteste legen Deutschland lahm
08.01.2024Die Bauernproteste gegen die Agrarpolitik haben am Montag früh in Deutschland zu ersten Behinderungen geführt.
Mit Blockaden an Autobahnauffahrten und Traktorkolonnen in Städten haben am Montag die deutschlandweiten Bauernproteste begonnen. In Mecklenburg-Vorpommern etwa blockierten Landwirte Auffahrten von Autobahnen. In Bayern meldete die Polizei vielerorts Verkehrsbehinderungen, etwa weil Straßen nur einspurig befahrbar waren oder Autobahnauffahrten blockiert wurden. Am Brandenburger Tor in Berlin sammelten sich in der Früh Protestteilnehmer mit rund 200 Traktoren und Lastwagen.
Unterstützt wurden die Landwirte von Speditionen, die gegen die Erhöhung der Lkw-Maut protestierten. In vielen Orten Deutschlands müssen sich Autofahrer, Schüler und Busfahrgäste auf starke Behinderungen einstellen. Mehrere Kultusministerien der deutschen Bundesländer kündigten an, dass Schüler entschuldigt werden, sollten sie es wegen der Aktionen nicht zum Unterricht schaffen.
Aktionswoche
Der deutsche Bauernverband hat zu einer Aktionswoche aufgerufen, um gegen die Streichung von Subventionen für die Branche zu demonstrieren. Dabei geht es vor allem um die Steuervergünstigung von Agrardiesel. Dass die Regierung in Berlin einen Teil ihrer Sparpläne zurückgenommen hat, reicht dem Verband nicht aus. Nach einer eskalierten Protestaktion gegen den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck an der Nordsee rief der Bauernverband am Wochenende seine Anhänger aber auch zur Mäßigung auf und forderte, Aktionen vor Wohnungen von Politikern und persönliche Anfeindungen zu unterlassen.
Auf der A81 bei Böblingen waren am Montag nach Polizeiangaben in einer unangemeldeten Demonstration mehrere Traktoren auf der Autobahn unterwegs. Im Kreis Cloppenburg in Nordwestniedersachsen wurde eine Bundesstraße von 40 Fahrzeugen blockiert. In Sachsen waren laut Polizei etwa im Raum Dresden einige Autobahnauffahrten nicht nutzbar.
Der deutsche Bauernverband forderte erneut, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen. "Die nehmen der Landwirtschaft die Zukunftsfähigkeit. Vor allem gefährden wir am Ende die gesicherte Versorgung mit heimischen, hochwertigen Lebensmitteln", sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied im RBB-Inforadio. "Wir setzen darauf, dass bei der Berliner Regierung die Vernunft einkehrt und dass man diese überproportionale Belastung der Landwirtschaft zurücknimmt. Das ist unser Kernziel bei den Demonstrationen."
Milchpreise eingebrochen
Das vergangene Jahr sei das erste seit Jahrzehnten gewesen, in dem die Unternehmensergebnisse etwa durch gestiegene Preise für Milch, Getreide und Fleisch "gepasst" hätten, sagte Rukwied. "Die Milchpreise sind mittlerweile eingebrochen. Wir hatten in der Spitze 60 Cent, jetzt sind wir wieder bei rund 40 Cent. Die Schweinepreise sind rückläufig. Insbesondere bei Getreide, bei Raps sind die Preise eingebrochen", sagte der Bauernpräsident.
In Kombination mit höheren Energiepreisen und den jetzt vorgeschlagenen Subventionskürzungen führe das zu einem Einbruch der Einkünfte bei den Landwirten um mindestens ein Drittel. "Und das ist nicht hinnehmbar", sagte Rukwied.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte, die Kürzungen zurückzunehmen. Die deutsche Regierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, sagte der SPD-Regierungschef am im ZDF-"Morgenmagazin". "Ich glaube, dass die beiden Vorschläge eine Branche doch stärker treffen als andere." Die deutsche Regierung plant, die Steuersubventionen für Agrardiesel stufenweise wegfallen zu lassen. Ein weiterer Vorschlag, die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen zu kippen, ist vom Tisch.
Bei der deutschen Innenministerin Nancy Faeser stießen die geplanten Blockaden auf Kritik: "Wer andere Menschen, die eilig zur Arbeit, zur Schule oder zum Arzt müssen, im Alltag blockiert, der sorgt in allererster Linie für Wut und Unverständnis", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post". Legitimer Protest ende da, wo andere in ihren Rechten verletzt würden. Wie andere Politiker forderte sie die Landwirte auf, sich von Extremisten deutlich abzugrenzen.
Rukwied betonte im ZDF: "Aktionen, die Gewalt mit sich bringen, sind ein No-Go." Man habe die Landes- und Kreisbauernverbände darauf hingewiesen, dass sie friedlich demonstrieren sollen. Alle Demonstrationen seien angemeldet. Die Frage, ob er in Sorge sei, dass die Bauern von Rechtsaußen unterwandert würden, verneinte Rukwied. "Wir sind politisch unabhängig", sagte der Bauernpräsident. "Wir bringen unsere Anliegen mit Nachdruck zum Ausdruck, aber auf Basis der demokratischen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland."
Ab Mittwoch kommt es für viele Pendler in Deutschland ganz dick: Dann will die Lokführergewerkschaft GDL unter anderem bei der Deutschen Bahn streiken. Der Ausstand soll von Mittwoch, 2.00 Uhr, bis Freitag, 18.00 Uhr, dauern. Erfahrungsgemäß könnten auch andere Bahnunternehmen betroffen sein, wenn zum Beispiel Beschäftigte in den Stellwerken streiken.Die Deutsche Bahn kündigte an, einen Eilantrag gegen den Ausstand beim Arbeitsgericht Frankfurt einzureichen.