Das CIA und der pakistanische Geheimdienst machten einen großen Fang.
Mehr als acht Jahre nach dem Sturz des fundamentalistischen Taliban-Regimes in Afghanistan ist im Süden von Pakistan der Stellvertreter von Taliban-Chef Mullah Omar gefasst worden. "Mullah Baradar wurde in Karachi festgenommen, das können wir bestätigen", sagte ein hochrangiger pakistanischer Offizier, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Dienstag. Auch die USA bestätigten die Festnahme der "Nummer zwei" der Taliban, nachdem zunächst die "New York Times" in ihrer Online-Ausgabe über die Festnahme Baradars vor einigen Tagen in Pakistan berichtet hatte.
Taliban: "Baradar wurde nicht verhaftet"
Die
radikal-islamischen Taliban in Afghanistan bestritten die Festnahme. "Die
heute in Umlauf gebrachten Gerüchte über die Festnahme von Mullah Baradar
sind absolut falsch, das ist eine große Lüge", erklärte
Yousuf Ahmadi, der als Sprecher der Taliban-Führung in Erscheinung getreten
ist. "In diesem Moment ist er (Baradar) gerade in Afghanistan, wo er
alle Aktivitäten des Jihad leitet. Er ist bei uns, und wir sind in Kontakt
mit ihm", sagte Ahmadi. "Er wurde nicht festgenommen", sagte
auch ein weiterer Taliban-Sprecher, Sabiullah Mujahid.
"Im Moment ist er in unserem Gewahrsam und wir verhören ihn", sagte dagegen der pakistanische Offizier. Mullah Abdul Ghani Baradar (Brader) sei bei einer gemeinsamen Operation pakistanischer und amerikanischer Geheimdienste "vor rund zehn Tagen" in der Hafenstadt Karachi festgenommen worden. Er "spreche" jetzt mit den Verhörexperten. Dass US-Geheimdienstbeamte an dem Verhör teilnehmen, wollte der Offizier nicht bestätigen. Baradar befinde sich seit mehreren Tagen in Gefangenschaft, bestätigte ein ranghoher Vertreter der USA.
Innenminister spricht von Propaganda
Der pakistanische
Innenminister Rehman Malik hat Berichte über die Festnahme von Baradar als
"Propaganda" bezeichnet. Die USA und Pakistan teilten zwar
Geheimdienstinformationen miteinander, gemeinsame Ermittlungen oder Razzien
gebe es jedoch nicht, sagte Malik am Dienstag, ohne die Festnahme zu
bestätigen oder zu dementieren. "Wir sind ein souveräner Staat und werden
deshalb niemandem erlauben, hierherzukommen und einen Einsatz
durchzuführen", strich der Minister hervor.
Die "New York Times" schreibe "keine göttliche Wahrheit" und könne mit ihrem Bericht auch falsch liegen, sagte Malik. Der Bericht sei deshalb "Propaganda". "Wir überprüfen alle, die wir festnehmen. Wenn ein dickes Zielobjekt dabei ist, werde ich das der Nation mitteilen", fügte der pakistanische Innenminister hinzu.
Aufstand organisiert
Mullah Baradar war Teil des Führungsrates
der Taliban, der sogenannten Quetta-Shura. Quetta ist eine pakistanische
Stadt nahe der afghanischen Grenze. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes durch
die US-geführte Invasion in Afghanistan Ende 2001 infolge der Anschläge vom
11. September hatten sich hochrangige Taliban um den Gründer der Bewegung,
Mullah Mohammmad Omar, laut Geheimdienstangaben dort versammelt. Von dort
aus organisierten sie den Aufstand in Afghanistan, der zum Ziel hat, die
ausländischen Truppen zu vertreiben und die Regierung von Präsident Hamid
Karzai zu stürzen.
Mitglieder des Führungsrates sollen in der Vergangenheit von Quetta in die Millionenmetropole Karachi gezogen sein. Afghanistan warf Pakistan immer wieder vor, nicht gegen den Führungsrat der Taliban vorzugehen. Pakistan hat das stets zurückgewiesen.
Enger Vertrauter von bin Laden
Mullah Baradar galt auch als
enger Vertrauter von Al-Kaida-Führer Osama bin Laden. Er führte bisher den
Militärrat der Taliban. Er stieg in diesem Gremium 2006 nach dem Tod des
damaligen Militärführers Mullah Akhtar Mohammed Usmani auf. Er soll vor
allem die militärischen Aktivitäten im Süden und Südwesten Afghanistan
organisiert haben. Dort läuft gerade die größte Militäroffensive der USA und
ihrer Verbündeten gegen die Taliban seit deren Sturz 2001. In der früheren
Regierung der Taliban war er laut Interpol stellvertretender
Verteidigungsminister.
Mullah Baradar ist der mit Abstand wichtigste Taliban, der seit dem Einmarsch in Afghanistan gefasst worden ist. Die "New York Times" erfuhr nach eigenen Angaben schon am Donnerstag von der Festnahme, sah auf Bitten des Weißen Hauses aber zunächst von einer Veröffentlichung ab. Die US-Regierung habe die Befürchtung geäußert, dass die Nachricht von der Festnahme Baradars dessen Komplizen zu größerer Vorsicht bewegen und damit das Aufspüren weiterer Taliban-Führer erschweren könnte. Inzwischen habe sich die Gefangennahme Baradars in der Region aber bereits herumgesprochen, schrieb die Zeitung. Es sei unklar, ob Baradar aussage. Die Geheimdienste hofften, dass er etwas über den Verbleib von Mullah Omar sagen könne.
In Pakistan wurde spekuliert, die Festnahme könne auch damit zusammenhängen, dass die USA und ihre NATO-Verbündeten sich bereiterklärt hätten, mit gemäßigten Taliban zu verhandeln. Pakistan hat dabei eine Schlüsselrolle inne, da es die Taliban bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unterstützte.