Auf dem Tempelhofer Feld soll eine XXL-Flüchtlingsunterkunft entstehen.
In Berlin kochen die Emotionen hoch. Das Tempelhofer Feld - der legendäre Ex-Flughafen - ist auf dem Weg, die meistbelegte Flüchtlingsunterkunft in Deutschland zu beherbergen. Dagegen regt sich Widerstand.
Aufregung
Die Stimmung ist gereizt. Da prallen zwei Aufregerthemen zusammen in Berlin: die aus Sicht vieler Bürger mangelhafte Unterbringung von Flüchtlingen - und die Zukunft des von wohl ebenso vielen heiß geliebten Tempelhofer Felds.
Vor eineinhalb Jahren haben engagierte Berliner per Volksentscheid eine Bebauung des historischen Flughafengeländes verhindert. Jetzt streiten die gleichen Leute am gleichen Ort wieder mit der rot-schwarzen Landesregierung - über die möglicherweise bald größte Flüchtlingsunterkunft Deutschlands.
7.000 Flüchtlinge
Sozial- und Christdemokraten wollen am Rand der riesigen Freifläche mitten in der Hauptstadt bis zu 7.000 Flüchtlinge unterbringen - in den ehemaligen Flughafen-Hangars, für drei Jahre befristet, aber auch in Hallen und Containern neben dem Flughafen-Gebäude. Dafür wollen ein per Volksentscheid entstandenes Gesetz ändern - und ziehen Zorn auf sich.
Macht der Berliner Senat seine Pläne wahr, entstünde nach aktuellem Stand die deutschlandweit größte Notunterkunft. Nirgendwo leben derzeit mehr Flüchtlinge auf einem Fleck.
Flughafengelände
Berlin hat andere Möglichkeiten gesucht. Doch im vergangenen Jahr kamen fast 80.000 Flüchtlinge an. "Ab September konnten wir mit der Schaffung von Unterbringungskapazitäten nicht mehr Schritt halten", sagt Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle. Im Oktober wurde der erste Hangar belegt.
Inzwischen leben im Flughafengebäude 2.500 Menschen. Sie schlafen in Stockbetten, notdürftig abgetrennt mit Messe-Stellwänden. Eine Zeit lang gab es nicht einmal Duschen, die Flüchtlinge wurden in Schwimmbäder geführt.
Zur Ruhe komme man dort nicht, berichtet eine ehrenamtliche Deutschlehrerin auf einer Bürgerversammlung. Georg Classen vom Berliner Flüchtlingsrat spricht von Depressionen. "Die Menschen können nachts nicht schlafen, werden krank." Zugleich kosteten die zwei Quadratmeter, die jeder Flüchtling Platz habe, das Land 1.100 Euro Miete. "Das ist die größte, schlechteste und wahrscheinlich auch teuerste Flüchtlingsunterkunft in Berlin", kritisiert er.
Stadtlegende
Jetzt also bis zu 7.000 Menschen. "Wir wissen alle, dass Tempelhof kein Ort ist, an dem Flüchtlinge für viele Monate leben sollten", sagt der Berliner Flüchtlings-Staatssekretär Dieter Glietsch. Ankommen sollen sie hier, registriert werden - und möglichst schnell in normale Gemeinschaftsunterkünfte umziehen. Doch eben davon gibt es nicht genügend. Viele Flüchtlinge leben seit drei Monaten im Hangar.
Der Flughafen Tempelhof ist in Berlin ein Stück Stadtlegende. Sein Name steht für die Luftbrücke, die Amerikaner und Briten errichteten, als sie während der sowjetischen Blockade 1948/49 den Westteil der Stadt ein Jahr lang aus der Luft versorgten. Jahrzehntelang war der 1923 eröffnete Airport Berlins Tor zur Welt, Ende Oktober 2008 wurde der weltweit älteste Verkehrsflughafen geschlossen. Heute dient das Gelände als eine Art Freizeitpark, mit einer Volksabstimmung wurde 2014 eine geplante Wohnbebauung verworfen.
Im Prinzip, das wird deutlich, haben die wenigsten Kritiker etwas gegen Flüchtlinge, auch nicht auf dem Tempelhofer Feld. Doch sie wollen kein "Massenlager". Und sie haben Angst. Sie glauben den Versprechen nicht, auf dem Feld werde "kein Grashalm angefasst".
Der Senat wolle das Bauverbot durch die Hintertür umgehen - und später doch Luxuswohnungen bauen, behaupten Aktivisten. Keine Entgegnung der Politiker kann sie überzeugen. Das Vertrauen ist weg.