Tag des Schicksals

Berlusconi steht vor Vertrauensvotum

10.12.2010

Am Dienstag entscheidet das Parlament, wie es mit der Regierung weitergeht.

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Für Italiens angeschlagenen Regierungschef Silvio Berlusconi schlägt am kommenden Dienstag die Stunde der Wahrheit. An diesem Tag entscheidet das Parlament in Rom, ob die Regierung Berlusconi nach zweieinhalb Jahren Amtszeit noch Vertrauen verdient oder zurücktreten muss. Die Abstimmung wird einer mehrmonatigen Phase politischer Ungewissheit in Italien ein Ende setzen und könnte zugleich den Weg zu vorgezogenen Parlamentswahlen ebnen.

Berlusconi könnten vier Stimmen fehlen
Die Abgeordnetenkammer entscheidet über einen Misstrauensantrag, den die Mitte-links-Oppositionsparteien Partito Democratico (PD) und die IDV ("Italien der Werte") von Antonio Di Pietro eingebracht haben. Ein zweiter Misstrauensantrag gegen die Regierung wurde von 85 Parlamentariern des Zentrumsblocks um Berlusconis Ex-Verbündeten Gianfranco Fini und die Oppositionspolitiker Pierferdinando Casini und Francesco Rutelli eingereicht. In der Abgeordnetenkammer muss Berlusconi mindestens 316 der 630 Parlamentarierstimmen erhalten, um weiterregieren zu können. 317 Deputierte der Opposition und Finis Rechtsfraktion "Zukunf und Freiheit in Italien" (FLI) wollen für den Misstrauensantrag gegen Berlusconi stimmen.

Berlusconi könnten vier Stimmen fehlen, um die Abstimmung zu bestehen. Der Premierminister gibt sich jedoch nicht geschlagen. Laut Fini-Anhängern habe Berlusconi prestigereiche Ämter versprochen, um sie zu überreden, nicht gegen seine Regierung zu stimmen.

Vertrauensvotum im Senat
Im Senat hat Berlusconi das Vertrauensvotum selbst beantragt. In dieser Kammer hat er wegen der solideren Mehrheitsverhältnisse bessere Chancen, die Abstimmung zu überstehen. "Entweder die Regierung erhält das Vertrauen, oder es kommt zu vorzeitigen Wahlen", wiederholt Berlusconi immer wieder. Er will somit seinem Ex-Verbündeten Fini den Weg versperren, der nach dem Sturz der Regierung hofft, von Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Bildung einer Übergangsregierung mit Oppositionsparteien beauftragt zu werden. Fini will damit seinem Land in dieser schwierigen Wirtschaftsphase Neuwahlen ersparen. Man munkelt aber, dass er vor allem sein Amt als Parlamentspräsident retten will. Bei Neuwahlen würde seine Rechtsfraktion laut Umfragen auf lediglich sechs Prozent der Stimmen kommen.

Bei Niederlage müsste Berlusconi zurücktreten
Eine Niederlage bei der Vertrauensfrage in einer der Kammern des Parlaments würde Berlusconi zum Rücktritt zwingen. Nach der Verfassung müsste Napolitano dann mit allen politischen Parteien beraten, ob eine Mehrheit für eine neue Koalition ohne Neuwahlen zustande käme. Napolitano könnte eine Person mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen, die bis zum regulären Wahltermin 2013 die Geschäfte führen würde. Das passierte bereits 1995, als die erste Regierung Berlusconi zerbrach und der frühere Finanzminister Lamberto Dini die Macht übernahm. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Neuauflage der Regierung Berlusconi mit den Fini-Anhängern.

Auflösung des Parlaments möglich
Findet Napolitano nicht genügend Unterstützung für eine neue Regierung, muss er das Parlament auflösen. Eine vorgezogene Wahl hat innerhalb von 70 Tagen stattzufinden. Viele Experten halten dies für das wahrscheinlichste Szenario. Berlusconi hofft, dass er bei einer Wahl erneut genügend Stimmen bekommt, um eine Regierung zu bilden. Als frühestmöglichen Termin für Wahlen haben Umberto Bossi, Vorsitzender von Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord, und Verteidigungsminister Ignazio La Russa der Partei des Premiers "Popolo della libertá" (PdL - Volk der Freiheit), den 27. März 2011 ins Spiel gebracht.

Berlusconi vs. Fini
Auslöser der akuten Regierungskrise, die Berlusconis Machtposition aufs Spiel setzt, ist der Streit zwischen dem Premierminister und Fini. Seit dem Sommer sind 37 für Berlusconis PdL-Partei gewählte Abgeordnete zu Finis Fraktion übergewechselt. Die Rechtsfraktion FLI war entstanden, nachdem Berlusconi den PdL-Mitgründer Fini aus der Partei verwiesen hatte. Der Präsident der Abgeordnetenkammer hatte immer wieder Berlusconis autoritären Führungsstil kritisiert und ihm vorgeworfen, wie ein "absolutistischer Monarch" die gemeinsame Partei zu führen. Vor drei Wochen hatte Fini den Premier zum Rücktritt aufgefordert, um so eine Umbildung der Koalition zu ermöglichen. Nachdem Berlusconi diese Forderung abgelehnt hatte, zog Fini einen Minister, einen Vizeminister, sowie drei Staatssekretäre seiner Rechtsfraktion aus der Regierung zurück.

In dieser verworrenen Situation wird auch der oberste Gerichtshof eine entscheidende Rolle spielen: Ab kommendem Mittwoch wird die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes überprüft, dank dem Berlusconi Korruptions- und Steuerbetrugsprozesse gegen ihn vermeiden kann, so lange er im Amt verbleibt. Die Richter entscheiden, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist. Wenn nicht, könnten zwei anhängige Strafprozesse wegen Bestechung und Steuerhinterziehung gegen Berlusconi weitergeführt werden. Dies würde Berlusconis ohnehin schon wackelige Position weiterhin belasten.

Berlusconi zuversichtlich
Silvio Berlusconi hingegen zeigt sich siegessicher. Er werde keineswegs zurücktreten, wie es sein ehemaliger Verbündeter Gianfranco Fini verlangt. "Diese Regierung arbeitet gut. Wir werden uns nicht in den politischen Wahnsinn treiben lassen. Dieses Kabinett kann mit dem Vertrauen der Mehrheit der Italiener rechnen", sagte Berlusconi am Freitag in Rom. Seine Regierung habe bisher Positives geleistet und werde auch bis zum regulären Ende der Legislaturperiode 2013 im Amt bleiben.

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