Joe Biden strauchelt bisher im Wahlkampf, sein hohes Alter und die vielen Aussetzer verunsichern seine Partei. Aber wie könnte ein Kandidatenwechsel aussehen?
Mehr als 80 Prozent der Amerikaner halten US-Präsidenten Joe Biden für zu alt fürs Oval Office und wollen nicht, dass er zur Wiederkandidatur antritt.
Der 81-Jährige hängt nach einer wahren Schreckenswoche voller tattriger Patzer und der Schlussfolgerung eines Sonderermittlers, er sei praktisch zu „senil“, um wegen des Verschleppens von Geheimakten angeklagt zu werden, in den Seilen.
Über Bidens Betagtheit wurde lange getuschelt, jetzt werden seine Aussetzer zur nationalen Krise. Offiziell rückt die Partei hinter Biden zusammen – doch hinter den Kulissen herrscht blanke Panik. Kaum wer mehr getraut dem täglich greiser wirkenden Oberbefehlshaber zu, Republikaner-Rivalen Donald Trump schlagen zu können.
Als mögliche Retter fallen bekannte Namen, allem voran die beliebte Ex-First-Lady Michelle Obama, aber auch Kalifornien-Gouverneur Gavin Newsom. Aber wie könnte Biden – mit dem Vorwahlkampf bereits im Gang – noch ausgetauscht werden? Es gibt Szenarien, aber für solche müsste Biden letztendlich freiwillig aufgeben.
Demokraten sind in Panik verfallen
So könnte sich der Thriller entfalten:
► Für einen Quereinsteiger in den Vorwahlkampf ist es bereits zu spät: Zwar sind nur drei Prozent der Delegiertenstimmen offiziell, doch zum Ende des Monats laufen die Deadlines zur Wahlanmeldung in allen US-Bundesstaaten außer Montana, Nebraska, New Jersey, New Mexico, Oregon und South Dakota ab. Doch selbst wenn ein neuer Kandidat jeden Delegierten dort gewinnt, ist Biden bei den Vorwahlen kaum noch abzufangen. Zum Ende der „Primaries“-Saison am 4. Juni dürfte der Präsident daher fast alle der 1,968 Partei-Delegierten hinter sich haben.
► Das wäre auch der logische Zeitpunkt für Biden, sollte er seinen freiwilligen Rückzug ankündigen wollen. Zwischen Anfang Juni und dem Beginn des Parteitages („Democratic National Convention“, DNC) ab dem 19. August in Chicago wäre ein wildes Gerangel um eine Poleposition unter alternativen Kandidaten zu erwarten. Die Partei würde sie auf ihre Fähigkeiten als potenzielle Trump-Schlächter anklopfen.
► Mit seinen Delegierten hinter sich wäre Biden beim viertägigen Parteitreffen immer noch „Königsmacher“, so das Polit-Portal „Politico“. Die meisten Parteifunktionäre würden seinen Empfehlungen folgen. Dennoch: Das politische Drama könnte in einem chaotischen Kampfparteitag enden, bei dem Anhänger mehrerer Hoffnungsträger aneinandergeraten. Jedenfalls: Am Ende des Parteikonvents wird der Kandidat oder die Kandidatin der Demokraten offiziell sein.
► Sollte es am Ende doch Biden sein – nach wie vor das wahrscheinlichste Szenario – und er sich danach zur Aufgabe entschließen (oder amtsunfähig werden), muss die Partei intern die Nachfolgerfrage klären.
Was passiert mit Kamala Harris?
Noch weiter verkompliziert Vizepräsidentin Kamala Harris die schwierige Lage bei Amerikas Liberalen: Denn sie bleibt nur Kandidatin, wenn auch Biden dranbleibt. Doch die Partei würde zögern, sie im Fall einer anderen Kandidatur ganz hinauszudrängen. Man wolle weder weibliche noch afroamerikanische Wähler vor den Kopf stoßen, so das Kalkül.