Jetzt hat das Pentagon die ersten fünf Osama-Videos veröffentlicht. Sie zeigen den Terror-Fürst als schwächlichen Greis in seiner schäbigen Villa.
In seinen Propaganda- und Droh-Videos, mit denen er stets die Welt schockte, zeigte sich der 54-Jährige stets als stolzer Krieger, als Kämpfer. In Wahrheit war Osama bin Laden ein alter Mann, ein Terrorgreis.
Auf einem der veröffentlichten Videos ist zu sehen, wie der 1,94 Meter große frühere Hüne zusammengesunken vor einem alten Fernsehgerät sitzt. Sein Rauschebart ist weiß und ungepflegt, er trägt eine dunkle Wollmütze, über den hochgezogenen Schultern hat er eine dunkelbraune Decke geworfen.
In seiner rechten Hand hält er eine uralte Fernbedienung. Er zappt durch die Kanäle, bleibt bei Al Jazeera hängen. Es läuft ein Bericht über ihn als jungen Krieger in den felsigen Bergen von Afghanistan, vor seiner Festung Tora Bora. An seiner Seite die Nummer zwei der Al-Kaida.
Der Raum, in dem sich Osama aufhält, könnte schäbiger nicht sein: kahle, schlecht verputze und schlampig gekalkte Wände, ein speckiges Sofa. Kabel hängen von der Decke, ein Satellitenempfänger steht auf einem einfachen Holztisch. Immer wieder sieht sich Osama seine eigenen Propaganda-Videos an. Offenbar hängt er längst vergangenen Zeiten nach.
In Droh-Videos ein Kämpfer, in Wahrheit ein alter Mann
Ein zweites der sichergestellten Videos zeigt ein ganz anderes Bild des Superterroristen: In einen güldenen Umhang gehüllt, mit schwarz gefärbtem Rauschebart, verliest er eine Hassbotschaft an die USA, die noch nie veröffentlicht wurde. Die übrigen drei Video zeigen Osama, wie man ihn von seinen Video-Botschaften kennt.
Die Videos korrigieren auch Meldungen, wonach Osama in purem Luxus gelebt hat: Der Raum, in dem er beim Fernsehen sitzt, scheint nur wenige Quadratmeter groß zu sein. Wirkt heruntergekommen. Hier hat er also mit seiner jungen Frau und knapp einem Duzend seiner 23 Kinder gelebt.
79 Mann stürmen Osamas Villa und töten Terror-Fürst
In dieser kahlen Villa fand er auch seinen Tod: In der Nacht zum Montag stürmten 79 US-Navy-Seals auf Bin Ladens Anwesen. Zuerst erschießen sie einen Leibwächter und dessen Frau. Dann stürmen sie das Haupthaus, töten Bin Ladens Sohn und einen weiteren Mann.
Zuletzt stürmen sie das Schlafzimmer Bin Ladens. In dem Raum liegt eine Kalaschnikow und eine Pistole. Die Seals schnappen zwei seiner Kinder, darunter eine zwölfjährige Tochter. Dann eröffnen sie das Feuer: Der Superterrorist stirbt „wie ein Feigling“: Er stößt seine fünfte Frau Amal al-Sadeh (24) den Seals entgegen. Sie reißen die Frau nieder, schießen ihr in die Wade. Eine Kugel trifft Bin Laden über dem Auge, die zweite in die Brust. „Geronimo E-KIA“, wird ins Weiße Haus gefunkt: „Feind getötet!“
Karl Wendl, Debora Knob
54 % der Österreicher sagen: Osama bin Ladens Tötung gerechtfertig.
Die Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Tötung von Osama bin Laden ist voll entbrannt. Ex-Kanzler Franz Vranitzky verurteilt die US-Aktion in ÖSTERREICH: Diese würde Völkerrecht widersprechen (siehe Interview rechts). Die aktuelle Gallup-Umfrage im Auftrag von ÖSTERREICH zeigt allerdings: Die Mehrheit der Österreicher steht hinter dem Vorgehen der Amerikaner.
n Mehrheit: Tötung gerechtfertigt: 54 Prozent sagen, dass die Tötung von Osama bin Laden gerechtfertigt gewesen sei, nur 26 Prozent der Österreicher finden das nicht.
n Höhere Terrorbedrohung: Dass durch Bin Ladens Tod die allgemeine Gefahr von Terrorangriffen zurückgehen wird, glaubt kaum jemand. Nur elf Prozent der Befragen meinen, dass die Welt durch den Tod Bin Ladens sicherer geworden ist. 60 Prozent glauben, dass die Gefahr von Terrorangriffen zugenommen hat. Unterschiede gibt es zwischen den Geschlechtern: Mit 64 Prozent fürchten sich mehr Frauen vor Anschlägen als Männer (57 %), bei Befragten unter 30 ist die Angst am größten.
Tötung gerechtfertigt? Mehrheit steht hinter US-Vorgehen.
Mehr Gefahr. 60 % befürchten, dass Welt jetzt unsicherer ist.
Ex-Kanzler Vranitzky über Tötung
ÖSTERREICH: Haben die Amerikaner mit der Tötung Osama bin Ladens gegen Völkerrecht verstoßen?
Franz Vranitzky: Sie bringt die USA völkerrechtlich in ein schiefes Licht. Rechtsstaat und Menschenrecht können nicht relativ sein. Das sind absolut gültige Wertkategorien. Völkerrecht muss auch für die schlimmsten Feinde gelten. Wenn Entscheidungsträger Taten setzen, bei denen Menschenrechte infrage gestellt sind, dann müssen sie damit rechnen, dass ihnen der Verantwortungsspiegel vorgehalten wird.
ÖSTERREICH: Sie hätten ihn nicht töten dürfen?
Vranitzky: Eine Festnahme wäre überzeugender und besser gewesen. Nur – das hat nicht stattgefunden.