Missbrauchsskandal
Bischöfe beraten mit Papst über Eklat
15.02.2010
Der erste Report zeigte, dass in Irland von 1930 bis in die 1990er hinein tausende Heimkinder von Kirchenleuten geschlagen, kahlgeschoren, mit Feuer oder mit Wasser gequält und vergewaltigt worden waren.
Die irischen Bischöfe beraten ab Montag mit Papst Benedikt XVI. und der römischen Kurie über die Missbrauchsfälle in ihrer Ortskirche, wie Kathpress meldet. In einer zweitägigen Konferenz im Vatikan suchen sie nach Auswegen aus der Krise, in welche die irische Kirche durch den im November vorgelegten "Murphy Commission Report" geraten war.
Erzdiözese vertuschte Missbrauch
Dem Report zufolge hatte
die Erzdiözese Dublin zwischen 1975 und 2004 systematisch Fälle von
sexuellem Missbrauch durch Geistliche vertuscht. Zudem war zuvor
bekanntgeworden, dass in Irland tausende Heimkinder bis in die 90er Jahre
von Geistlichen und Ordensleuten in kirchlichen Einrichtungen des Landes
gequält und vergewaltigt worden waren.
"Schockiert und beschämt"
Unmittelbar nach Vorlage
des Murphy-Berichts hatte sich die irische Kirchenleitung öffentlich
"schockiert und beschämt" geäußert. Sie entschuldigte sich bei den Opfern
und sagte eine Aufklärung im Abstimmung mit dem Vatikan zu. Daraufhin hatte
Benedikt XVI. eine Konferenz mit den Bischöfen des Landes sowie einen Brief
an die Kirche in Irland angekündigt.
Taten erkennen und bereuen
Kardinalstaatssekretär Tarcisio
Bertone betonte bei der Eröffnungsmesse am Montag, die "schwersten und
erniedrigendsten Prüfungen für die Kirche" kämen "aus den eigenen Reihen",
wenn ihre Mitarbeiter in "verabscheuungswürdigende Taten" verwickelt seien.
Gefragt sei jetzt eine Erneuerung. Die Schuldigen müssten ihre Taten
erkennen und bereuen. Jedoch sollte man sich in dieser Situation zugleich
vor Mutlosigkeit und Verzweiflung hüten, sagte der Kardinal.
Tausende Heimkinder gequält
Die Untersuchungsberichte hatten
die Kirche in Irland 2009 in eine tiefe Krise gestürzt. Der erste Report
zeigte im Mai, dass in Irland von 1930 bis in die 1990er Jahre hinein
tausende Heimkinder von Kirchenleuten geschlagen, kahlgeschoren, mit Feuer
oder mit Wasser gequält und vergewaltigt worden waren. Sie hatten Nummern
statt Namen. Manchmal waren sie so hungrig, dass sie Abfall aßen.
Vier Bischöfe zurückgetreten
Im November zeigte dann
der sogenannte Murphy-Report, wie die Kirche grausame Taten und
Missbrauchsfälle jahrelang systematisch unter den Teppich gekehrt hatte. Die
Kirchenleitungen schwiegen demnach aus Furcht vor einem Skandal, staatliche
Behörden schauten weg. Vier Bischöfe traten seitdem zurück - nach starkem
öffentlichen Druck. Drei der Rücktritte muss der Papst noch akzeptieren.
Es wird erwartet, dass der Papst zum Abschluss des Treffens oder in den nächsten Tagen ein Pastoralschreiben zu den Missbrauchsskandalen in der irischen Kirche veröffentlicht. Es wäre der erste Brief eines Papstes, der ausschließlich diesem Thema gilt. Es könnte auch sein, dass in dem Brief - im Blick z. B. auf die jüngsten Missbrauchsskandale in Jesuitenschulen in Deutschland - nicht nur die Verantwortung der Bischöfe, sondern auch der Ordensoberen ausdrücklich zur Sprache kommt.
"Nicht rein irisches Problem"
"Wir wollen, dass der
Papst sich entschuldigt, nicht allgemein, sondern für das, was in Irland
geschehen ist", zitierte der irische Sender RTE das Opfer Michael O'Brien.
Es handle sich außerdem nicht um ein rein irisches Problem, sondern "um ein
Problem der katholischen Kirche weltweit", so O'Brien. Für John Kelly vom
Verband ehemaliger Missbrauchsopfer geht es auch darum, Irland "die Ehre
zurückzuerstatten". Diese sei "schwer beschädigt worden durch die von einem
Antichrist in den letzten 50 Jahren begangenen Grausamkeiten".
24 Bischöfe beim Papst
Insgesamt nehmen unter Leitung von
Kardinal-Primas Sean Brady, dem Erzbischof von Armagh, und dem Dubliner
Erzbischof Diarmuid Martin 24 Bischöfe an der Konferenz mit dem Papst teil.
Der Heilige Stuhl ist vertreten durch Kardinalstaatssekretär Bertone sowie
durch die Präfekten der Kongregationen für die Bischöfe, für die
Glaubenslehre, für den Klerus, für die Ordensleute und für das
Bildungswesen. Kardinal Brady sagte unmittelbar vor Konferenzbeginn, er
erwarte sich von dem Treffen "einen ersten Schritt in Richtung Reue,
Erneuerung und Vergebung" in der irischen Kirche.
Der Papst selbst hatte die Fälle bereits bei einem ersten Treffen im Dezember "tief bestürzt und betrübt" verurteilt und angekündigt, dem Fall höchste Aufmerksamkeit zu widmen.
Benedikt äußerte sich während seines Pontifikats schon mehrfach unmissverständlich zum Thema Kindesmissbrauch in der Kirche. Auf seiner USA-Reise 2008 war er als erster Papst mit Opfern pädophiler Priester zusammengekommen. Ein ähnliches Treffen wie das jetzige gab es im Jahr 2002, als US-Bischöfe von Papst Johannes Paul II. vorgeladen wurden, um die Missbrauchsfälle in der amerikanischen Kirche zu diskutieren.