Proteste eskalieren

Bosnien: Regierungssitz gestürmt

Teilen

Demonstranten stürmen Staatspräsidium in Sarajevo - Dutzende Verletzte.

In Bosnien sind Demonstrationen gegen Arbeitslosigkeit und Verelendung am Freitag in Gewalt umgeschlagen: In der Hauptstadt Sarajevo setzten aufgebrachte Demonstranten am Abend das Präsidentschaftsgebäude in Brand. In Tuzla im Nordosten des Landes stürmten etwa hundert Vermummte den Sitz der Regionalverwaltung und legten Feuer in dem Gebäude. Landesweit gab es rund 150 Verletzte.

80 Verletzte wurden in Sarajevo und 50 in Zenica gezählt. Die Flammen am Sitz der Präsidentschaft in Sarajevo breiteten sich bis zum zweiten Stockwerk aus, wie die amtliche Nachrichtenagentur Fena meldete. Das Präsidentschaftsgebäude hatten Demonstranten zuvor bereits mit Steinen beworfen. Andere Demonstranten stürmten das benachbarte Gebäude der Regionalregierung von Sarajevo, schlugen alle Fenster ein und legten auch dort Feuer.

Krawalle in Tuzla

In Tuzla drangen die vermummten Jugendlichen mit Abzeichen des örtlichen Fußballklubs in das Gebäude der Regionalregierung ein, zerstörten die Einrichtung und warfen Fernseher aus den Fenstern. Mehr als 5.000 Demonstranten applaudierten den Jugendlichen. Aus der ersten Etage des zehnstöckigen Gebäudes drangen Flammen und dichter schwarzer Rauch. Hunderte Polizisten, die das Gebäude zuvor gesichert hatten, zogen sich zurück. Sie riegelten stattdessen ein Gebäude in der Nähe ab, in dem die Notdienste der Stadt untergebracht sind.

Einer der Anführer des Protests in Tuzla, Aldin Siranovic, forderte in einer Rede an die Menge den Rücktritt der Regierung. "Sie bestehlen uns seit 25 Jahren und zerstören unsere Zukunft", rief er zur Begründung. Am Abend versuchte die Feuerwehr, zwei Brände in Gebäuden der Stadtverwaltung zu löschen.

In Zenica im Zentrum des Landes wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen 3.000 Demonstranten und Sicherheitskräften fünf Polizisten verletzt.

Die Demonstrationen sind die größten seit dem Bosnienkrieg (1992-95). Sie sind Ausdruck der Verzweiflung der Menschen und ihrer Wut über eine vielfach korrupte Führungsschicht, die sich außerstande zeigt, die verheerende Wirtschaftslage in den Griff zu bekommen.

Schon am Donnerstag waren in Tuzla die Proteste gegen die schlechte bosnische Wirtschaftslage und die hohe Arbeitslosigkeit in Krawalle umgeschlagen. Mehr als 130 Menschen wurden bei Zusammenstößen verletzt. Der Polizei zufolge nahmen am Donnerstag etwa 2.000 Menschen an den Protesten teil, in Medienberichten war von 7.000 Teilnehmern die Rede. 30 Demonstranten und mehr als hundert Polizisten wurden nach Angaben eines Krankenhaussprechers in die Notaufnahme gebracht. Acht Demonstranten wurden festgenommen.

Schulen geschlossen
Die Schulen in Tuzla blieben am Freitag aus Furcht vor neuen Ausschreitungen geschlossen. Protestkundgebungen waren auch in zwei Dutzend weiteren Städten angekündigt, darunter Prijedor, Mostar, Banja Luka und Bihac.

Die Demonstrationen dauern seit Mittwoch an. Die Arbeitslosenquote in Bosnien liegt bei mehr als 44 Prozent. Nach amtlichen Angaben lebt ein Fünftel der 3,8 Millionen Bosnier in Armut, viele leiden Hunger. Der durchschnittliche Monatslohn in dem Balkanland liegt bei 420 Euro.

In Tuzla, einst ein wichtiger Industriestandort, gingen auch Beschäftigte von privatisierten und Pleite gegangenen ehemaligen Staatsbetrieben auf die Straße, die seit Monaten keinen Lohn mehr bekamen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten