USA
Boston-Bomber: Älterer Bruder plante Attentat
22.04.2013
19-Jähriger Dzokhar belastet seinen getöteten Bruder Tamerlan (26).
Allmählich werden die Hintergründe des Boston-Attentats klarer. Der jüngere der beiden mutmaßlichen Täter sagt aus: Treibende Kraft der Bluttat sei sein Bruder gewesen. Ein Tippfehler bei der Einreise könnte ihm geholfen haben.
Das Attentat beim Boston-Marathon in der Vorwoche geht nach aller Wahrscheinlichkeit nicht auf das Konto einer der internationalen Terrororganisationen. Der jüngere (19) der beiden mutmaßlichen Boston-Bombenleger hat nach US-Medienberichten vom Dienstag seinen bei der Polizeijagd getöteten Bruder belastet. Wie Dzokhar (Dschochar) Tsarnaev (Zarnajew), im Krankenhaus aussagte, sei Tamerlan (26) treibende Kraft gewesen. Er habe sich vom Heiligen Krieg motivieren lassen und den Islam retten wollen, sagte er. Nach Berichten des Senders CNN habe sich der Zustand des jungen Mannes deutlich verbessert. Er bleibe vernehmungsfähig.
Tsarnaev, der nach wie vor einen Beatmungsschlauch in seinem Rachen hat, zeige sich in den Gesprächen mit den Ermittlern kooperativ, hieß es. Er kommuniziere mit ihnen schriftlich oder durch Kopfbewegungen. Sein älterer Bruder Tamerlan sei besessen von der Idee gewesen, dass der Islam attackiert werde und die selbsternannten Gotteskrieger zurückschlagen müssten, erklärte Tsarnaev. Dabei habe das Internet eine große Rolle gespielt, meldete der TV-Sender CNN am Dienstag unter Berufung auf einen Regierungsmitarbeiter. Der schwer verletzte Dzokhar Tsarnaev war tags zuvor wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen angeklagt worden. Ihm droht die Todesstrafe.
FBI scheiterte an Tippfehler
Möglicherweise schützte den älteren Tsarnaev ein Tippfehler in Einreisedokumenten vor Verfolgung durch US-Ermittler. Nach Berichten von US-Medien sei Tamerlan Tsarnaev 2012 unerkannt von einem Besuch im Kaukasus in die USA heimgekehrt. Bereits 2009 hatte der russische Geheimdienst Alarm geschlagen. Das FBI kam der Bitte nach, Tamerlan auf radikale Tendenzen zu überprüfen. Man befürchtete, er könnte sich einer radikalen Untergrundorganisation anschließen. Das FBI prüfte - ergebnislos.
Tamerlan zwei Mal in Österreich
Am Dienstag wurde auch bekannt, dass Tamerlan Tsarnaev offenbar zweimal in Österreich war. 2007 und 2009 soll er sich insgesamt etwa eineinhalb Wochen bei Box-Veranstaltungen in Salzburg und Innsbruck aufgehalten haben. Entsprechende Informationen bestätigte das Innenministerium.
Die Ermittler müssten nun Tamerlans Internetaktivitäten auswerten. Außerdem gewannen sie weitere Erkenntnisse aus Videoaufnahmen am Tatort des 15. April. Auf den Bildern, die den jüngeren der beiden Brüder zeigen, habe dieser völlig ruhig und gelassen gewirkt, als er den schwarzen Rucksack mit der mutmaßlichen selbstgebauten Bombe in der Zuschauermenge vor der Ziellinie des Boston-Marathons platzierte.
Anklage am Krankenbett verlesen
Der 19-Jährige muss sich vor einem Zivilgericht wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen verantworten. Eine Richterin verlas dem durch mehrere Schusswunden Verletzten am Montag die Anklageschrift am Krankenbett in einer Bostoner Klinik. Tsarnaev soll der Anklagebehörde zufolge für den Tod von drei Menschen und die Verletzungen von 200 weiteren zur Verantwortung gezogen werden.
Während der Anklageverlesung sei Tsarnaev "wach, mental aufnahmefähig und bei klarem Verstand" gewesen, gab Richterin Marianne B. Bowler zu Protokoll. Auf die Frage, ob er in der Lage sei, einige Fragen zu beantworten, habe der Angeklagte deutlich genickt. Infolge seiner Verletzungen kann er nicht sprechen. Ein einziges Wort habe Tsarnaev gesagt: ein "Nein" auf die Frage, ob er sich einen Anwalt leisten könne. Ihm wurde ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt.
Der Bombenanschlag der vergangenen Woche wirbelte auch die Debatte um eine Reform des Einwanderungsrechts in den USA auf. Einige republikanische Politiker mahnten die Sicherheitsinteressen an und plädierten dafür, den derzeit laufenden Prozess zu überdenken. "Lasst uns nicht so grausam sein und die abscheulichen Taten zweier junger Männer nutzen, um die Träume und Zukunft von Millionen hart arbeitender Menschen zu zerschlagen", warnte dagegen der demokratische Senator Patrick Leahy am Montag in einer Anhörung.