Todesstrafe droht
Boston-Bomber packt über Anschlag aus
23.04.2013
Der getötete Tamerlan sei die treibende Kraft hinter den Bomben gewesen.
Eine Woche nach dem Terroranschlag beim Boston Marathon ist gegen einen der mutmaßlichen Attentäter Anklage erhoben worden. Der 19-jährige Dzhokhar Tsarnaev muss sich vor einem Zivilgericht wegen des Gebrauchs von Massenvernichtungswaffen verantworten. Eine Richterin verlas dem durch mehrere Schusswunden Verletzten am Montag die Anklageschrift am Krankenbett in einer Bostoner Klinik. Dem Angeklagten droht die Todesstrafe.
Tsarnaev solle für den Tod von drei Menschen und die Verletzungen von 200 weiteren zur Verantwortung gezogen werden, teilte US-Generalstaatsanwalt Eric Holder in Washington mit. Außerdem für die Zerstörung, die die Bomben am 15. April im Zielbereich des Marathons anrichteten. Sein Bruder und mutmaßlicher Komplize Tamerlan Tsarnaev war bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei am Freitag ums Leben gekommen.
Tamerlan treibende Kraft
Wie der US-Sender CNN am Montag unter Berufung auf Angaben von Regierungsbeamten berichtete, habe der 19-Jährige den Ermittlern zu verstehen gegeben, dass sein älterer Bruder die treibende Kraft hinter Planung und Ausführung des Anschlags gewesen sei und dass der 26-Jährige mit der Tat den Islam habe verteidigen wollen. Den Angaben zufolge handelten die Brüdern allein. Eine internationale Terrororganisation stecke nicht hinter der Tat, soll Dzhokhar Tsarnaev erklärt haben.
"Das Ausmaß dieser Verbrechen ist groß und betrifft eine weltweite Gemeinschaft, die Frieden und Gerechtigkeit will", sagte die Staatsanwältin von Massachusetts, Carmen Ortiz. "Wir hoffen, dass diese Anklage der gesamten Öffentlichkeit sowie den Opfern und ihren Angehörigen Mut macht, dass das Recht waltet."
Während der Anklageverlesung sei Tsarnaev "wach, mental aufnahmefähig und bei klarem Verstand" gewesen, gab Richterin Marianne B. Bowler zu Protokoll. Auf die Frage, ob der infolge seiner Verletzungen sprechunfähige Angeklagte in der Lage sei, einige Fragen zu beantworten, habe er deutlich genickt. Ein einziges Wort habe Tsarnaev gesagt und dies sei ein "Nein" auf die Frage gewesen, ob er sich einen Anwalt leisten könne.
Zuvor hatte die US-Regierung erklärt, der 19-Jährige komme nicht vor ein Militärgericht. "Er wird nicht als feindlicher Kämpfer behandelt", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, vor Journalisten. Damit hat Tsarnaev das Recht, zu den Vorwürfen zu schweigen und einen Anwalt zu hinzuzuziehen. Nach Informationen des Fernsehsenders CNN soll der Prozess am 30. Mai beginnen.
Schweigeminute
Genau eine Woche nach dem Bombenanschlag gedachten die Bewohner des US-Bundesstaates Massachusetts am Montag in einer Schweigeminute der Opfer. Auf den Punkt um 14.50 Uhr (Ortszeit), dem Zeitpunkt der ersten Explosion, stand das Leben für eine Minute still. Anschließend läuteten in ganz Massachusetts die Kirchenglocken. US-Präsident Barack Obama nahm in Washington an der Schweigeminute teil.
Eine Gruppe von Teilnehmern am Boston-Marathon lief die Strecke am Montag symbolisch zu Ende. "Es ist toll, Teil dieser Gruppe zu sein und zu zeigen, dass diese Stadt zwar verletzt wurde, aber nicht am Boden liegt", sagte eine Läuferin dem Sender CNN. Der Marathon war nach den Explosionen am 15. April abgebrochen worden.
Bombenopfer beerdigt
Am Montagvormittag war das erste der drei Bombenopfer beigesetzt worden. Hunderte Trauergäste verabschiedeten sich von der 29-jährigen Krystle Campbell in ihrer Heimatstadt Medford. "Sie hatte ein Herz aus Gold", sagte ihre weinende Mutter Patty Campbell. Ihre Tochter, eine Restaurantmanagerin, war unter den Zuschauern, als die Sprengsätze kurz vor der Ziellinie detonierten. Außer der jungen Frau starben auch ein achtjähriger Bursche und eine chinesische Studentin der Boston University. Für die 23-Jährige gab es dort am Montagabend (Ortszeit) eine Trauerfeier.
Von den Verletzten des Anschlags befindet sich anscheinend niemand mehr in kritischem Zustand. "Ich bin zuversichtlich, dass wir keinen Patienten verlieren werden", sagte George Velmahos, Traumaspezialist des örtlichen Massachusetts General Hospital, vor Journalisten.
Die US-Bundespolizei FBI gerät inzwischen immer mehr in die Kritik, weil sie Hinweise aus Russland auf eine mögliche Radikalisierung des 26 Jahre alten Tamerlan Tsarnaev nicht ernst genommen haben soll. Die Kongressabgeordneten Michael McCaul und Peter T. King sprachen von einem "geheimdienstlichen Versagen", wie die "New York Times" berichtete.
Kritik am FBI
Der Fall werfe ernsthafte Fragen über die Wirksamkeit der Terrorismusbekämpfung in den USA auf, schrieben die beiden Republikaner in einem an das FBI, das Heimatschutzministerium und den Chef der Nationalen Nachrichtendienste adressierten Brief, aus dem auch "USA Today" zitierte. McCaul ist der Vorsitzende des Ausschusses für Heimatschutz im US-Repräsentantenhaus und hat Zugang zu Geheimdienstinformationen, auch King ist Terrorismusexperte.
Der getötete Tamerlan Tsarnaev sei bereits der fünfte Verdächtige seit den Anschlägen vom 11. September 2001, dem Verstrickungen in einen terroristischen Angriff vorgeworfen würden, während er unter FBI-Beobachtung gestanden habe, hieß es.