Verhandlungen in Straßburg

Brexit: Durchbruch in letzter Sekunde

11.03.2019

Die britische Regierung hat rechtlich verbindliche Änderungen am EU-Austrittsabkommen mit der EU erzielt.

Zur Vollversion des Artikels
© Getty Images
Zur Vollversion des Artikels
Die britische Regierung hat einen Durchbruch bei den Nachverhandlungen mit der EU über das Brexit-Abkommen verkündet. Vize-Regierungschef David Lidington informierte am Montagabend das Parlament in London. Vorher hatte Premierministerin Theresa May in Straßburg noch einmal EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Unterhändler Michel Barnier getroffen.
 
May habe in den Verhandlungen mit Juncker "rechtlich bindende Änderungen" des Brexit-Vertrags erreicht, sagte Lidington. Details nannte er nicht. In einer gemeinsamen Erklärung von May und Juncker hieß es, dass sich beide Seiten dazu verpflichten, bis Ende 2020 eine Alternativlösung zum umstrittenen irischen Backstop zu finden. Mit diesem Datum endet die Übergangsperiode nach dem Brexit, in der Großbritannien weiterhin komplett an das EU-Recht gebunden ist.
 

Abstimmung im Unterhaus

Mit dem Kompromiss will May sich im Unterhaus doch noch eine Mehrheit für das in London umstrittene Austrittsabkommen sichern. Bereits am Dienstag werden die britischen Abgeordneten darüber abstimmen. Bis zuletzt galt als wahrscheinlich, dass der mit Brüssel ausgehandelte Deal scheitern wird. Nach tagelangem Stillstand in den Gesprächen mit der EU suchte May mit der überraschenden Reise nach Straßburg den Durchbruch in letzter Minute. Unklar ist, ob dies reicht, um genügend Unterstützung im Unterhaus zu gewinnen.
 
Wie Lidington sagte, will die britische Regierung dem Parlament zwei Dokumente vorlegen: eine gemeinsame, rechtlich verbindliche Erklärung zum Austrittsabkommen und zum sogenannten Backstop für die irische Grenze. Und eine gemeinsame Erklärung zur Ergänzung der politischen Erklärung, in der Großbritannien und die EU ihre künftigen Beziehungen skizzieren. In letzter Konsequenz könne Großbritannien die Regelung zur irischen Grenze aussetzen, wenn die EU ihre Pflichten verletze.
 

Zurückhaltung

Die nordirischen Unionisten kündigten an, den Kompromiss "sehr sorgfältig" prüfen zu wollen. "Wir werden uns die Details anschauen", teilte der Vizechef der Democratic Unionist Party, Nigel Dodds, mit. Der einflussreiche konservative Abgeordnete Steve Baker reagierte skeptisch. Es sei "nicht das erste Mal, dass die Regierung etwas herausgeputzt hat, was letztlich nicht die Erwartungen erfüllt", sagte der am Montagabend der BBC.
 
Auch EU-Diplomaten äußerten sich zurückhaltend. "Hoffen wir, dass es genug für das britische Parlament sein wird", verlautete nach den Verhandlungen in Straßburg aus EU-Kreisen. Der gefundene Kompromiss sei "irrelevant, wenn sie (May) nicht für die fehlenden Stimmen sorgen kann".
 

Backstop

Der Backstop ist im Brexit-Streit der Knackpunkt. Das ist die von Brüssel geforderte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Bisher ist vorgesehen, dass Großbritannien so lange als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleiben soll, bis eine andere Lösung gefunden ist. Doch das lehnen die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei ab.
 
Die EU hatte zuletzt rechtlich bindende Zusicherungen in Aussicht gestellt, dass der Backstop wenn überhaupt nur kurz genutzt werden soll. Außerdem schlug Barnier vor, Großbritannien könne die Zollunion einseitig verlassen, solange Sonderregeln für Nordirland gültig blieben.
 
Im Fall einer Ablehnung des Vertrags am Dienstag will May die Parlamentarier am Mittwoch über ein Ausscheiden ohne Deal abstimmen lassen. Wird auch das abgelehnt, sollen die Abgeordneten am Donnerstag entscheiden, ob London eine Verschiebung des Brexits beantragen soll.
 
Zur Vollversion des Artikels