Hardliner für Misstrauensvotum

Brexit: May stürzt ins totale Chaos

15.11.2018

Erst Durchbruch, jetzt Aufstand in eigener Partei: Warum es jetzt in britischer Regierung kracht.

Zur Vollversion des Artikels
 
Zur Vollversion des Artikels

London. Jetzt meutert die eigene Partei gegen Großbritanniens Premierministerin Theresa May: Sechs Minister und Staatssekretäre traten am Tag nach der als Durchbruch gefeierten Einigung von Mays Kabinett auf den Brexit-Deal mit der EU zurück. Brexit-Minister Dominic Raab nahm ebenso seinen Hut wie Arbeitsministerin Esther McVey. Dazu traten die Brexit-Staatssekretärin und der Staatssekretär für Nord­irland sowie zwei Unterstaatssekretäre zurück.

Verteidigung. Am Donnerstag musste May den Vertrag vor dem Parlament verteidigen: „Wir können uns dafür entscheiden, uns zu einigen und den besten Deal unterstützen, der verhandelt werden kann“, warb May bei den Parlamentariern um Unterstützung. Die Abgeordneten folgten ihr nicht, ganz im Gegenteil: Andrew Bridgen, Mitglied ihrer eigenen Tories-Partei, sagte, es wäre im nationalen Interesse, wenn May jetzt zurücktreten würde. Auf die direkte Frage nach ihrem Rücktritt antwortete May mit einem einfachen „No!“.

Rebellion. „Mehr als 80 Tories-Hinterbänkler, und es werden stündlich mehr“, würden gegen den Vertrag stimmen, sagte der Abgeordnete Mark Francois. Es sei daher „mathematisch unmöglich“, das Abkommen durchzubekommen. Dutzende Brexit-Hardliner ihrer Partei trafen sich zu Beratungen. Rebellen-Anführer Jacob Rees-Mogg hinterlegte einen Brief, in dem er May das Vertrauen entzog. 48 Tories-Abgeordnete müssten ein solches Schreiben abgeben, um ein Misstrauensvotum gegen die eigene Chefin zu erwirken. Dann könnte May von ihrer eigenen Partei gestürzt werden.

585-Seiten-Vertrag soll den EU-Ausstieg regeln

EU und Großbritannien einigten sich auf Brexit-Entwurf. Die wichtigsten Eckpunkte. 

Brüssel. Der Austritt Großbritanniens ist ein Novum in der EU-Geschichte: Jetzt einigten sich die Verhandler von EU und Großbritannien auf ein 585 Seiten starkes Konvolut, das den Brexit genau regeln soll.

  • Übergangsphase: Der Deal sieht eine Übergangszeit bis Ende 2020 vor. Großbritannien bleibt weiterhin im Binnenmarkt und der Zollunion, zahlt weiter Mitgliedsbeiträge und muss alle EU-Regeln anerkennen, ohne selbst noch ein Stimmrecht zu haben. London darf aber „internationale Abkommen“ abschließen. Die Übergangsphase kann einmal verlängert werden.
  • EU-Bürger: Rund drei Millionen EU-Bürger leben in Großbritannien, eine Million Briten in der EU. Sie haben weiter das Recht, zu bleiben, zu arbeiten und zu studieren, und besitzen Ansprüche bei Krankenversicherung, Pensionen und Sozialleistungen. Das gilt auch für Bürger, die erst während der Übergangsphase ankommen. Alle dürfen ihre nächsten Verwandten nachholen.
  • Brexit-Rechnung: Die eingegangenen Finanzverpflichtungen muss Großbritannien erfüllen: Die „Brexit-Bill“ beläuft sich laut Schätzung der Regierung auf 35 bis 39 Milliarden Pfund (40 bis 45 Mrd. Euro).
  • Nordirland: Die Grenze zwischen der britischen Provinz und EU-Mitglied Irland ist der komplizierteste Streitpunkt. Beide Seiten wollen keine „harte Grenze“ mit Kontrollen. Drei Optionen bleiben, über die während der Übergangsphase entschieden werden soll. Darunter auch eine Auffanglösung, wonach in Nordirland weiter der EU-Binnenmarkt gilt, im Rest Großbritanniens aber nicht. 
Zur Vollversion des Artikels