Streit um das EU-Budget - Merkel trifft jetzt David Cameron.
Wien. Dunkle Wolken über Brüssel: Die ohnehin festgefahrenen Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für 2014 bis 2020 könnten jetzt an Großbritannien endgültig scheitern. Der Grund: Am Donnerstag drohte der britische Premier David Cameron mit einem Veto gegen den Vorschlag der EU-Kommission, die Ausgaben auf 1.061 Milliarden Euro zu erhöhen. „Man ist an einem Punkt angelangt, an dem weitere Verhandlungen sehr schwierig werden. Wenn die Briten beim Veto bleiben, kann das EU-Budget nicht beschlossen werden“, sagt Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) zu ÖSTERREICH (siehe unten). Lopatka vertritt Österreich derzeit in den Budget-Vorverhandlungen.
EU-Druck. Doch viel mehr noch. Am Freitag geriet Großbritannien immer mehr in EU-Isolation. Der EU-Kommissar Janusz Lewandowski stellte gar die Frage nach dem Verbleib der Briten in der EU: „Entweder Großbritannien sieht für längere Zeit seine Zukunft in der EU oder nicht.“ Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel eilt nächsten Mittwoch eigens in die Downing Street, um Cameron umzustimmen. „Wenn jemand die Fronten aufbrechen kann, dann Merkel“, so Lopatka, der ebenfalls Kritik übt: „Das EU-Budget ist viel zu hoch, es gibt noch Einsparungspotenziale.“ Derzeit zahlt Österreich als „Nettozahler“ 2,6 Milliarden Euro ein und bekommt 1,8 Milliarden Euro aus dem EU-Budget für konkrete Projekte zurück.
Sondergipfel. Spätestens am 22. und 23. November, beim Gipfel der Regierungschefs, muss eine Lösung her. Kommt es zu keiner Einigung, wird im Frühjahr weiterverhandelt, weil ein einstimmiger Beschluss nötig ist. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Österreichs Letztverantwortlicher: „Ich hoffe auf einen Kompromiss beim Sondergipfel.“
Lesen Sie auf der nächsten Seite das ÖSTERREICH-Interview mit Reinhold Lopatka:
ÖSTERREICH: Die Verhandlungen zum EU-Budget sind in der Endphase. Wie beurteilen Sie das angedrohte Briten-Veto?
Reinhold Lopatka: Man ist damit an einem Punkt angelangt, an dem die weiteren Verhandlungen sehr schwierig werden. Wenn die Briten beim Veto bleiben, kann das EU-Budget nicht beschlossen werden. Im schlimmsten Fall müssen wir 2013 weiterverhandeln.
ÖSTERREICH: Wie beurteilt Österreich den EU-Vorschlag, die Ausgaben auf 1.061 Milliarden Euro zu erhöhen?
Lopatka: Dieser Vorschlag ist viel zu hoch. Auch der Entwurf des EU-Präsidentschaftslandes Zypern von 1.008 Milliarden Euro ist zu hoch, die bisherigen Kürzungen zu niedrig. Wenn die EU von Mitgliedstaaten verlangt zu sparen, muss auch auf EU-Ebene der Sparstift angesetzt werden.
ÖSTERREICH: London will weniger zahlen, wie gehen Sie in die Verhandlungen?
Lopatka: Österreich zahlt jährlich rund 2,6 Milliarden Euro und bekommt 1,8 Milliarden für konkrete Projekte zurück. Wesentlich ist, welche Schwerpunkte die EU in den nächsten Jahren setzen möchte. Damit verbunden ist unsere Bereitschaft, mehr als bisher zu zahlen.
ÖSTERREICH: Was fordern Sie beim nächsten Termin?
Lopatka: Erstens, dass das EU-Budget auf Einsparungspotenziale durchleuchtet wird. Zweitens, dass die für Österreich wichtigen Bereiche nicht gekürzt werden. Und drittens fordern wir für den Fall, dass – wenn andere Staaten einen Rabatt erhalten – auch Österreich einen erhält. Interview: Jochen Prüller