Belgien
Brüssel: Dritter Flughafen-Terrorist gefasst
26.03.2016
Der lange gesuchte "Mann mit dem Hut" wurde festgenommen.
Bei Anti-Terror-Razzien in Brüssel ist der Polizei nach Medienberichten möglicherweise der gesuchte dritte Attentäter vom Brüsseler Flughafen ins Netz gegangen. Die Zeitung "Le Soir" meldete am Samstag unter Berufung auf gute Quellen, der in der Nacht zum Freitag festgenommene Faycal C. sei von dem Taxifahrer identifiziert worden, der das Terrorkommando zum Flughafen gebracht habe.
Dort hatten zwei Selbstmordattentäter am Dienstag mindestens elf Menschen in den Tod gerissen. Eine offizielle Bestätigung für die Identität des Festgenommenen gab es zunächst nicht. Nach dem "Mann mit Hut" war nach dem Bombenanschlag am Brüsseler Flughafen tagelang gefahndet worden.
Keine Waffen, kein Sprengstoff
Wie der Sender RTBF berichtete, werde noch auf das Ergebnis einer DNA-Analyse gewartet. Die Staatsanwaltschaft teilte am Samstag mit, dass am Freitag Haftbefehl gegen Faycal C. wegen Beteiligung an terroristischen Morden erlassen wurde. Bei einer Durchsuchung seien bei Faycal C. weder Waffen noch Sprengstoff gefunden worden.
Seit dem Anschlag am Dienstag war nach dem flüchtigen Komplizen gesucht worden. Auf dem Bild einer Überwachungskamera ist er in der Flughafenhalle rechts von den beiden Selbstmordattentätern Najim Laachraoui (24) und Ibrahim El Bakraoui (29) mit weißer Jacke und schwarzem Hut zu sehen. Nach der Festnahme von Faycal C. hatte es schon am Freitag Spekulationen gegeben, wonach es sich bei ihm um den Gesuchten handeln könnte. Die Wiedereröffnung des stark zerstörten Brüsseler Flughafens verzögert sich bis mindestens Dienstag.
Griechische Polizei fand Hinweise auf Anschlag
Die griechische Polizei soll bereits im Jänner 2015 in zwei Wohnungen in Athen Pläne entdeckt haben, die auf einen Terroranschlag auf dem Flughafen von Brüssel hindeuteten. Schon damals seien die belgischen Behörden informiert worden, berichtete der Athener Nachrichtensender Skai am Samstag unter Berufung auf die griechische Polizei. Unter anderem sei eine Karte des Flughafens von Brüssel gefunden worden. Eine offizielle Erklärung der Polizei dazu gab es zunächst nicht.
Mehrere Festnahmen nach Razzien
Nach den Razzien in Brüssel vom Donnerstag und Freitag sitzen weiterhin mehrere Verdächtige im Gefängnis. Neben Faycal C. wurde gegen einen weiteren Mann Haftbefehl erlassen. Rabah N. wird ebenfalls die Beteiligung an Aktivitäten einer terroristischen Gruppe vorgeworfen wird. Die Ermittlungen gegen ihn stehen im Zusammenhang mit einer Razzia im Pariser Vorort Argenteuil am Donnerstagabend, bei der der terrorverdächtige Franzose Reda Kriket festgenommen worden war. Dadurch wurde nach Angaben des französischen Innenministeriums ein Anschlagsplan im "fortgeschrittenen Stadium" vereitelt.
Gegen einen weiteren Verdächtigen, Aboubakar A., wurde ebenfalls Haftbefehl wegen Terrorverdachts erlassen. Ein Mann, der am Freitagnachmittag nahe einer Tram-Station im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek festgenommen wurde, sollte zunächst in Gewahrsam bleiben. Die Ermittler äußerten sich nicht dazu, ob die Festnahmen in Zusammenhang mit den Anschlägen in Brüssel oder Paris standen.
Abdeslam verweigert Aussage
Der Terrorverdächtige Salah Abdeslam will seit den verheerenden Anschlägen von Brüssel nicht mehr mit Ermittlern sprechen. Das sagte der belgische Justizminister Koen Geens am Freitag im Parlament. Der 26-Jährige war den Ermittlungen zufolge an den Pariser Anschlägen mit 130 Toten beteiligt und stand auch in Kontakt zu Mitgliedern der Terrorzelle, die die Selbstmordattentate am Brüsseler Flughafen und in einer Metro mit mindestens 31 Toten verübte. Zu den Anschlägen hatte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt.
Die Brüsseler wollten am Sonntag bei einem "Marsch gegen die Angst" erneut ein Zeichen gegen Extremismus und Gewalt setzen. Die Demonstration sollte am Place de la Bourse beginnen, der zu einem Gedenkort für die Opfer der Anschläge geworden ist. Der Brüsseler Flughafen bleibt unterdessen weiter geschlossen. Der Airport Zaventem werde frühestens am Dienstag wieder seinen Betrieb aufnehmen, erklärte die Betreibergesellschaft.
BVT-Chef skeptisch gegenüber Geheimdienstvernetzung
In Österreich zeigte sich der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), Peter Gridling, skeptisch, was eine stärkere Vernetzung der Geheimdienste betrifft. Nachrichtendienste seien konzipiert, um nationale Interessen zu vertreten, erklärte er am Samstag im Ö1-"Journal zu Gast". Anschläge in Österreich schloss Gridling nicht aus.
Der BVT-Chef erklärte, dass Nachrichtendienste zwar zusammenarbeiten und Informationen austauschen, sie fürchten jedoch, dass ihre Quellen in Gefahr sind, wenn ihre Informationen verwendet werden: "Daher gibt es gewisse Berührungsängste und Vorsicht, was man einer Polizeibehörde mitteilen kann." Die europäischen Minister haben nun ein "Signal" für die Weiterentwicklung gesetzt. Diesen Wünschen werden die Dienste entsprechen. Er verwies jedoch auf die unterschiedlichen Strukturen und Zuständigkeiten, diese Unterschiede bei den Diensten gelte es zu berücksichtigen.
Keine Verbindung zwischen totem Wachmann und Anschläge
Belgische Ermittler schlossen unterdessen beim Tod des Wachmanns einer Atom-Anlage eine Verbindung zu Anschlagsplänen aus. Die Staatsanwaltschaft in Charleroi widersprach am Samstag nach einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Senders VTM auch Medienmeldungen, dass der Sicherheitsausweis des am Donnerstag in dieser Region erschossenen Mannes gestohlen worden sei. Der Ausweis sei dennoch umgehend deaktiviert worden, nachdem die Ermittler Alarm geschlagen hätten. Der Zeitung "Le Soir" zufolge arbeitete der Mann am "L'Institut National des Radioelements" südlich von Brüssel. Dort wird mit radioaktiven Elementen unter anderem zu medizinischen Zwecken hantiert.
Angst vor Anschlag auf AKW
In ersten Berichten war die Rede davon, dass der Tote Wachmann an einem Atomkraftwerk gewesen sei. Der Mann wurde zwei Tage nach den Anschlägen in Brüssel erschossen. Immer wieder werden in Belgien Sorgen laut, Extremisten könnten versuchen, an Nuklearmaterial zu gelangen oder einen Anschlag auf eine Atomeinrichtung zu verüben. Die Zeitung "DH" hatte am Donnerstag berichtet, die Selbstmordattentäter vom Flughafen und der U-Bahn-Station in Brüssel hätten ursprünglich einen Anschlag auf eine Atomeinrichtung geplant.