Nach dem Rücktritt von Labour-Premier Gordon Brown geht der Konservativen-Chef eine Koalition mit den Liberalen ein.
Fraktion und Parteivorstand der britischen Liberaldemokraten haben am frühen Mittwochmorgen der Koalition mit den Konservativen zugestimmt. Sowohl die Abgeordneten als auch die Vorstandsmitglieder hätten mit der nötigen Dreiviertelmehrheit für das Bündnis gestimmt, sagte ein Parteisprecher der Nachrichtenagentur PA. Der Weg zur Koalitionsregierung unter dem Tory David Cameron ist damit vonseiten der "Lib Dems" frei. Trotzdem soll ein Sonderparteitag am Samstag in Birmingham darüber beraten.
Jüngster Premier seit 200 Jahren
Am Dienstagabend hatte der
bisherige Premierminister Gordon Brown seinen Rücktritt eingereicht und
Platz für den konservativen Parteichef Cameron gemacht. Dieser zog umgehend
in Downing Street 10 ein und kündigte eine "volle Koalition zwischen
Konservativen und den Liberaldemokraten" an. Cameron ist mit 43 Jahren der
jüngste Premierminister Großbritanniens seit fast 200 Jahren.
Konservative und Liberaldemokraten verfügen zusammen über eine Mehrheit im am vergangenen Donnerstag neugewählten Unterhaus. Die Konservativen waren bei der Wahl zwar stärkste Partei geworden, hatten die absolute Mehrheit aber verfehlt. Brown zog kurz vor Camerons Einzug in Downing Street die Konsequenz aus der Wahlniederlage seiner Labour Party und trat zurück. Damit ging die Regierungszeit von Labour nach 13 Jahren zu Ende.
"Große und drängende Probleme"
Cameron
erklärte nach seiner Berufung zum Regierungschef durch Königin Elizabeth
II.: "Wir haben einige große und drängende Probleme - ein enormes
Haushaltsdefizit, tiefe soziale Probleme, ein politisches System, das
reformbedürftig ist." Der 43-jährige Cameron telefonierte nach seiner
Berufung mit US-Präsident Barack Obama und der deutschen Bundeskanzlerin
Angela Merkel. Auch der französische Präsident Nicolas Sarkozy gratulierte
dem neuen britischen Premier.
Von Seiten der Tories verlautete, dass Clegg stellvertretender Premier werden und vier weitere Liberaldemokraten Ministerämter erhalten sollen. Außenminister solle der frühere Tory-Führer William Hague, Schatzkanzler (Finanzminister) der konservative Abgeordnete George Osborne und Verteidigungsminister Liam Fox werden. Der konservative Politiker tritt für eine harte Linie gegen den Iran und den Erhalt der britischen Atomstreitkräfte ein.
Noch kein Koalitionsvertrag
Der liberaldemokratische Sprecher
Vince Cable sagte, es gebe noch keinen fertigen Koalitionsvertrag. Die
Details würden noch ausgearbeitet, nichts sei formell besiegelt. Am 25. Mai
muss die Koalition ihr Programm dann im Unterhaus vorstellen.
Brown sagte, er wünsche seinem Nachfolger viel Glück. Er hatte am Abend im Buckingham-Palast Königin Elizabeth II. sein Rücktrittsschreiben übergeben und die Monarchin gebeten, den bisherigen Oppositionsführer Cameron mit der Bildung einer neuen Regierung zu betrauen. Anschließend traf Cameron im Buckingham-Palast ein und erhielt von der Königin den Auftrag zur Regierungsbildung. Unmittelbar danach begab sich der neue Premierminister zum Amtssitz Downing Street 10.
Umworbene LibDems
Bei der Parlamentswahl am vergangenen
Donnerstag wurden die Liberaldemokraten zwar nur drittstärkste Kraft, sie
wurden aber sowohl von den Konservativen als auch von Labour als
Mehrheitsbeschaffer umworben. Die Konservativen errangen bei der
Unterhauswahl vor knapp einer Woche 306 Sitze. Für eine Mehrheit benötigen
sie aber 326. Labour gewann 258 Mandate, die "Lib Dems" 57. Der Rest der
Sitze verteilt sich auf kleinere Parteien.
Hauptforderung der Liberaldemokraten ist eine Reform des Mehrheitswahlrechts, das kleinere Parteien benachteiligt. Die Konservativen boten Clegg eine Volksabstimmung über das Wahlsystem an, die aber keinen tiefgreifenden Systemwechsel vorsieht.
Bedingung: Euro nicht einführen
Um die Koalition auf die
Beine zu stellen, stimmten die Liberalen Tory-Plänen zu, die Immigration
einzudämmen und während der fünf Jahre langen Regierungszeit nicht den Euro
einzuführen. Die Liberalen sind eigentlich sehr europafreundlich. Zu
Problemen der Koalitionspartner könnte es auch in der Verteidigungspolitik
kommen, da die Liberalen schon gegen den Irak-Krieg gestimmt und sich auch
skeptisch über das militärische Engagement der Briten in Afghanistan
geäußert haben.