Großbritannien

Cameron und seine Brexit-Schlacht

17.02.2016

Scheinbar braucht der britische Premier David Cameron das Drama.

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© Reuters
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David Cameron braucht das Drama - das große EU-Gipfel-Drama, die Marathonsitzung, nach der er übermüdet und mit geröteten Augen vor die Kameras treten und seinen Sieg verkünden kann. Seit Monaten bereitet der britische Premier die Inszenierung des Brüsseler Brexit-Gipfels vor. Das Stück heißt: London gegen den Rest der EU. Es geht um Camerons politisches Überleben - und um das Schicksal der EU.

Selbst die Griechenland-Krise mutet im Vergleich wie Peanuts an: Scheitert der Gipfel, schert Großbritannien aus der EU aus, wäre das der Albtraum für die Gemeinschaft - oder der Anfang vom Ende. Hier einige wichtige Aspekte der Lage:

Camerons Strategie
1. Stufe: Monatelang ließ er kein gutes Haar an der EU, um sich so bei den Austritts-Befürwortern Anerkennung zu verschaffen. Stellte Forderungen nach Reformen auf, bei denen es nicht zuletzt um Sonderrechte geht.

Als 2. Stufe kam dann die Pendeldiplomatie, Cameron jettete zwischen den EU-Metropolen hin und her, suchte Unterstützung.

Stufe 3 soll jetzt der große Gipfel in Brüssel werden. Der Plan: Erschöpft und abgekämpft will Cameron danach an die Mikrofone treten. Die Botschaft soll heißen: Seht her, ich habe es geschafft. Cameron würde dann das Referendums-Datum bekannt geben - vermutlich der 23. Juni.

Das Risiko

Das Risiko ist erheblich. Gut möglich, dass sich einige Länder in letzter Minute gegen den vorliegenden Kompromiss stemmen. Vor allem die "Notbremse" ist umstritten. Demnach könnte London künftig zugewanderten EU-Bürgern zumindest zeitweise Sozialleistungen verweigern.

Wenn es schiefgeht...
Sollte es keine Einigung geben, wäre das ein schwerer Rückschlag für Cameron - und die EU. Allerdings betont der Brite seit neuestem, er habe Zeit, das Referendum hat er schließlich bis spätestens Ende 2017 versprochen. Doch er fürchtet, dass es im Sommer neue Flüchtlingsströme in die EU geben könnte, was EU-Gegnern in die Hände spielen würde. EU und Cameron wollen das leidige Thema schnellstmöglich vom Tisch haben.

Die Schlacht
Bei einem Gipfelerfolg beginnt der Kampf für das Referendum - vier volle, lähmende Monate lang Konfrontation pur. Brexit-Befürworter in den eigenen Reihen haben Cameron gezwungen, sofort nach dem Gipfel eine Kabinettssitzung abzuhalten. Noch am Freitag sollen Minister Grünes Licht erhalten, mit ihrer Kampagne für Austritt oder Verbleib zu beginnen. Grund der Eile: Die Austritts-Leute wollten Cameron nicht gönnen, dass er mit seinen Pro-EU-Parolen am Wochenende allein die Meinungsbildung bestimmt. Mindestes drei Pro-Brexit-Minister soll es im Kabinett geben, die sich dann outen dürften.

Die Gegner
Es gibt diverse Fraktionen der Euro-Kritiker, doch Cameron kann nicht darauf bauen, sie umzustimmen. Das bisher vorliegende Reformpaket halten sie für einen "Witz", sie misstrauen Brüssel zutiefst und glauben, Großbritannien komme allein besser in der Welt zurecht - mitunter mutet das an wie die Sehnsucht nach dem alten Empire, als Großbritannien noch Weltmacht war.

Der Unberechenbare
Ein Risiko könnte ein "Querdenker" wie der populäre Londoner Bürgermeister Boris Johnson werden. Der sagt noch nicht, auf welcher Seite er steht. Kündigt aber an, sich nach dem Gipfel "geräuschvoll" zu Wort melden zu wollen. Doch jüngst meinte er, Großbritannien stehe derzeit so gut da, dass man vor einem Austritt keine Angst zu haben braucht - klingt fast wie eine Kampfansage an Cameron.

Camerons Schicksal
Der Ausgang der Abstimmung ist völlig offen. Umfragen sagen eine knappe Entscheidung voraus, mit leichter Tendenz für den Austritt. Doch seitdem die Auguren bei den Wahlen 2015 schwer daneben lagen, traut ihnen niemand mehr. Doch für Cameron ist die Abstimmung eine Schicksalwahl. Scheitert er, bleibt ihm wohl nur der Rücktritt - wenn er das auch selbst öffentlich bestreitet.

Und wenn es zum Brexit kommt?
Niemals zuvor hat ein EU-Mitglied den Hut genommen. Alles kommt darauf an, ob es einen "weichen" oder einen "harten" Austritt gibt. Erhält Großbritannien einen Freihandelsstatus wie etwa Norwegen und die Schweiz? Als sicher gilt, dass der Finanzplatz London an Bedeutung verlieren wird. Die große Mehrheit der Unternehmer und Banker lehnt einen Austritt ab. Brexit bedeutet Unsicherheit und Risiko - und der Markt mag keine Unsicherheit.

Schlimme Folgen
Als sicher gilt, dass die EU-freundlichen Schotten ein zweites Unabhängigkeits-Referendum ansetzen. 2014 war es gescheitert, ein zweiter Anlauf könnte klappen. Camerons Albtraum, so Kommentatoren: Er könnte dann als Totengräber des britischen Königreiches in die Geschichte eingehen.

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