Der Verfassungsrat hat einen neuen Übergangs-Präsidenten ernannt.
Nach der Flucht des langjährigen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali ins Exil ist in Tunesien das Chaos ausgebrochen; es wird geplündert und gebrandschatzt. Bis zu 50 Menschen starben bei einem Gefängnisbrand in der Touristen-Hochburg Monastir. Am Samstag marschierte Militär im Stadtzentrum von Tunis auf. Über der Hauptstadt lagen Rauchsäulen. Schon in der Nacht hatten Brandstifter trotz Ausgangssperre Feuer in einem Bahnhof gelegt.
Touristen wurden evakuiert
Mit großer Verspätung ist die Boeing 737 mit österreichischen und deutschen Touristen aus Tunesien an Bord am Samstagabend um 21.43 Uhr am Salzburger Flughafen gelandet. Die Maschine der Lauda Air war kurz nach 19.00 Uhr - zwei Stunden später als ursprünglich geplant - in Monastir gestartet. In dem Küstenort war es im Laufe des Tages zu schweren Schießereien gekommen.
Von Salzburg aus geht es für die deutschen Touristen per Autobus nach München. Die Mehrheit der Urlaubsgäste fliegt nach Wien weiter. Damit sind alle Gäste von TUI aus Tunesien zurückgeflogen. Einige der Touristen, die bleiben wollten, sind an ihrem Urlaubsplatz verblieben.
Feuergefecht vor Innenministerium
Vor dem Sitz des tunesischen Innenministeriums in Tunis haben sich Soldaten und Polizisten am Samstag ein Feuergefecht mit Angreifern geliefert. Zu den Zusammenstößen kam es kurz nach der Vereidigung des Parlamentsvorsitzenden Fouad Mebazaa als Übergangspräsident. Journalisten beobachteten, wie zwei Menschen nach dem Schusswechsel am Boden lagen. Ob sie tot oder verletzt waren, blieb zunächst unklar. Auf den Dächern des Innenministeriums wurden Scharfschützen gesehen.
Gefängnisbrand in Monastir
Nach dem Gefängnisbrand in Monastir erhöhte sich die Zahl der Menschen, die seit Beginn der Unruhen in dem Mittelmeerland ums Leben gekommen sind, auf mehr als 130. Nach ersten Erkenntnissen hatten Häftlinge ihre Matratzen in Brand gesteckt. Die Flammen hätten dann schnell auf das gesamte Gebäude übergegriffen. Viele Häftlinge starben in den Flammen. Als andere zu fliehen versuchten, schossen Wärter auf die Menschen.
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Kriminelle profitieren von chaotischen Zuständen
Die Hintermänner der Plünderungen blieben vorerst im Dunkeln. Kriminelle Banden hätten von dem Chaos profitiert und Geschäfte geplündert, sagte der Oppositionspolitiker Mustapha Ben Jaafar am Samstag dem französischen Sender "France Info". Auch Verwaltungsgebäude seien angegriffen worden. Vor Reportermikrofonen äußerten mehrere Tunesier dagegen den Verdacht, dass Angehörige der Polizeikräfte das Machtvakuum nutzten und an Plünderungen beteiligt wären. Unterdessen meldete "Al-Jazeera" die Festnahme des Kommandanten der Präsidentenleibgarde.
Regierung der nationalen Einheit
Der als Übergangspräsident fungierende Parlamentsvorsitzende Fouad Mebazaa kündigte am Samstag eine Regierung der nationalen Einheit an. "Alle Tunesier müssen ausnahmslos in den politischen Prozess eingebunden werden", sagte er nach seiner Vereidigung durch den Verfassungsrat. Der bisherige treue Gefolgsmann Ben Alis und dessen Clans versprach, für Pluralismus und Demokratie einzutreten. Der zwischenzeitlich gesperrte Luftraum über dem Land wurde wieder geöffnet. Viele europäische Touristen saßen zunächst fest, nachdem Ben Ali vor seiner Flucht noch den Ausnahmezustand über das ganze Land verhängt und den Luftraum gesperrt hatte.
Die Massenproteste, die sich ursprünglich gegen hohe Arbeitslosigkeit und Nahrungsmittelpreise richteten, hatten sich in den vergangenen Tagen immer mehr zum Aufstand gegen das Regime Ben Alis entwickelt, der fast ein Vierteljahrhundert an der Macht war und vom Westen hofiert wurde.