Kairo
Chaotischer Prozess um Mursi vertagt
04.11.2013
Der ehemalige Präsident Ägyptens heizte mit Parolen an.
Nach einem turbulenten Prozessbeginn hat der Richter das Verfahren gegen den ägyptischen Ex-Präsidenten Mohammed Mursi (62) auf Beginn kommenden Jahres verschoben. Der Prozess werde am 8. Jänner fortgesetzt, meldete der Nachrichtensender Al-Arabiya. Mursi hatte Parolen gegen die Militärmachthaber gerufen und sich selbst als legitimen Präsidenten Ägyptens bezeichnet.
Der im Juli vom Militär gestürzte Mursi ist mit 14 weiteren Mitgliedern der Muslimbruderschaft wegen der Tötung von Demonstranten angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen ihnen lebenslange Haft oder die Todesstrafe. Der Prozess vor einem Behelfsgericht in einer Polizeiakademie war von einem massiven Sicherheitsaufgebot und Protesten von Anhängern Mursis begleitet. Es handelte sich um den ersten öffentlichen Auftritt des Ex-Präsidenten seit seiner Entmachtung.
"Ich bin der legitime Präsident von Ägypten, und ich bitte das Gericht, diese Farce hier zu beenden", sagte Mursi zu Beginn der Verhandlung. "Den Anführern des Militärputsches muss der Prozess gemacht werden", fügte er hinzu. Nach Angaben des Staatsfernsehens kam es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Verteidigern und einigen Prozessbeobachtern. Mursi war ohne Anwalt erschienen, um seine Ablehnung des gegen ihn geführten Prozesses zu unterstreichen.
Wegen der Zwischenrufe wurde die Verhandlung nur zehn Minuten nach ihrem Beginn unterbrochen. Ein staatlicher Fernsehkanal berichtete, die Anhörung werde erst wieder aufgenommen, wenn Mursi bereit sei, seine Gefängniskleidung zu tragen. Der Richter nahm die Verhandlung dann offenbar nur wieder auf, um den Prozess zu vertagen. Wie aus Gerichtskreisen verlautete, sollten die Angeklagten in das Kairoer Tora-Gefängnis gebracht werden.
Hunderte von Anhängern der entmachteten Islamisten protestierten in der Früh vor der Polizeiakademie. Ein Demonstrant trug ein Transparent mit der Aufschrift "Vergewaltigung des Willens des Volkes". Auch vor dem Verfassungsgericht in der Vorstadt Maadi demonstrierten mehrere hundert Sympathisanten der Muslimbruderschaft. Dort kam es nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch zu Handgreiflichkeiten, als Passanten Mursi-Anhänger angeriffen.
Mursi war am Vormittag mit einem Hubschrauber zu dem stark abgesicherten Gebäude geflogen, in dem auch dem gestürzten langjährigen Machthaber Hosni Mubarak der Prozess gemacht wird. Der Tahrir-Platz im Zentrum Kairos, der Mittelpunkt der Proteste gegen Mubarak und später Mursi war, wurde vom Militär mit Stacheldraht abgesperrt. Die Muslimbruderschaft hatte angekündigt, so lange mit Straßenprotesten Druck auf die Armee auszuüben, bis Mursi wieder in sein Amt zurückkehren kann. Medienberichten zufolge waren am ersten Prozesstag 20.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.