Seit dem schweren Erdbeben sind die Tage um 0,3 Mikrosekunden länger.
Das schwere Erdbeben in Chile Ende Februar hat globale Auswirkungen gehabt. Wie erste Ergebnisse von globalen Vermessungen zeigen, ist die Drehgeschwindigkeit der Erde geringfügig langsamer geworden, und zwar durch Massenverlagerungen innerhalb der Erdkruste und nicht wie ursprünglich kolportiert durch eine sprunghafte Verlagerung der Erdrotationsachse. Zudem wurde durch das Beben nicht nur die Stadt Concepcion um drei Meter nach Westen verschoben, sondern der gesamte Kontinent auseinandergezogen. Dies zeigen internationale Vermessungen, an denen Wissenschafter der Technischen Universität (TU) Wien mitgewirkt haben.
Verschiebung bestätigt
Die Verschiebung von Concepcion war
bereits anhand von GPS-Daten festgestellt worden, nun wurden diese Messungen
mit einem alternativen Verfahren bestätigt, wie Harald Schuh vom TU-Institut
für Geodäsie und Geophysik und Präsident der Kommission "Rotation der Erde"
in der Internationalen Astronomischen Union erklärte. Verwendet werden dazu
Radioteleskope, die Radiosignale aus dem Weltraum empfangen. Aufgrund der
Krümmung der Erde und ihrer täglichen Rotation kommen diese Signale aus
fernen Galaxien zu geringfügig unterschiedlichen Zeiten bei verschiedenen
Stationen auf der Erde an. Aus dieser Zeitdifferenz lässt sich exakt die
Entfernung zwischen den Teleskopen errechnen.
"Eine Verschiebung um drei Meter ist sehr ungewöhnlich und kommt nur alle 40 bis 50 Jahre vor", betonte Schuh. Wie die Messungen mit dem "Very Long Baseline Interferometry" (VLBI) genannten Verfahren zeigen, hat sich nicht nur Concepcion um drei Meter nach Westen und 0,65 Meter nach Süden bewegt. Auch andere Orte am Kontinent in dieser geografischen Breite sind westlicher Richtung gewandert, allerdings nicht in dem Ausmaß wie jene an der Küste. Das bedeutet, dass nicht die gesamte südamerikanische Platte gewandert ist, sondern regelrecht auseinander gezogen wurde.
Drehgeschwindigkeit verlangsamt
Die VLBI ist laut Schuh auch das
genaueste Verfahren zur Messung der Erdrotation. Dennoch liegt eine Änderung
der Rotationsgeschwindigkeit im Mikrosekundenbereich unterhalb der
derzeitigen Messgenauigkeit. Modellrechnungen zeigen nun aber, dass die
Drehgeschwindigkeit der Erde geringfügig langsamer geworden ist und die Tage
dadurch um 0,3 Mikrosekunden länger wurden. Erste Angaben von einer
Verlängerung um 1,26 Mikrosekunden haben sich laut Schuh als falsch
herausgestellt. "Verursacht wurde diese Änderung durch Massenverlagerungen
innerhalb der Erdkruste", betonte der TU-Professor.
Große Auswirkungen hat diese veränderte Drehgeschwindigkeit laut Schuh nicht. Andere Einflüsse wie Windströmungen oder die Meeresgezeiten hätten hier stärkere Wirkung. Dennoch ist für die Wissenschafter die genaue Dauer der Drehbewegung von Interesse. Schließlich bewegt sich ein Punkt am Äquator mit einer Geschwindigkeit von 450 Meter pro Sekunde. Beispielsweise für Positionsbestimmungen mit GPS muss man daher sehr genau die Drehgeschwindigkeit der Erde kennen.