Mehr als 700 Tote

Chile erwacht nach Beben aus Schockzustand

01.03.2010

Ausnahmezustand über besonders betroffene Regionen Maule und Biobio verhängt.

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Chile erwacht nach dem Jahrhundertbeben mit mehr als 700 Toten und immensen Schäden langsam aus dem Schockzustand. Die Regierung ging im Krisengebiet gegen Plünderer und Räuber vor, um so die anlaufende Verteilung von Trinkwasser und Lebensmitteln zu gewährleisten. Die Behörden verhängten nach dem Beben der Stärke 8,8 vom Samstag den Ausnahmezustand über die besonders betroffenen Regionen Maule und Biobio und entsandten 10.000 Soldaten. In der Nacht seien in der stark zerstörten Stadt Concepcion 55 Menschen wegen Verletzung der Ausgangssperre festgenommen worden.

Merkel sagt Hilfe zu
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte am Montag dem südamerikanischen Land Hilfe beim Wiederaufbau zu. In einem Telefonat mit Präsidentin Michele Bachelet stellte Merkel über die Nothilfe hinaus Unterstützung in Aussicht, teilte Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach in Berlin mit. "Die Bundesregierung steht bereit, bei der Bewältigung der Folgen zu helfen." Auch bei der EU in Brüssel ging eine Bitte um Hilfe aus Chile ein. Benötigt würden vor allem Unterstützung beim Bau von Brücken, medizinische Betreuung, Anlagen zur Wasseraufbereitung und Telekomverbindungen, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel.

3 Millionen Euro Soforthilfe
Die EU-Kommission hatte bereits am Sonntag angekündigt, drei Millionen Euro als Soforthilfe für die Opfer des Erdbebens zur Verfügung zu stellen. Laut Ashton werden 13 Experten in das Krisengebiet entsandt, um Schäden festzustellen. "Ich bin sehr beeindruckt darüber, wie professionell die chilenischen Behörden handeln", sagte die Britin. Bachelet kündigte einen Aktionsplan an, der die Verteilung von Lebensmitteln, Decken und Medikamenten vorsieht. Vielerorts fehlt es an Nahrungsmitteln, Wasser und Strom.

Auch die internationale Hilfsorganisation Care betonte, Chile verfüge über ein großes Potenzial zur Selbsthilfe. Das weit reichere Land sei nicht mit dem sehr armen Haiti zu vergleichen. Allerdings seien die Nachrichten sehr besorgniserregend. "Was wir von dort hören, ist grauenhaft. Die Infrastruktur ist zusammengebrochen, der Transport schwierig, die Menschen betteln in den Straßen um Trinkwasser", sagte Care-Sprecher Thomas Schwarz.

Guter Katastrophenschutz
Das südamerikanische Land sei sehr gut entwickelt und habe einen eigenen guten Katastrophenschutz, betonte auch ein Sprecher des Technischen Hilfswerkes (THW), das am Samstagabend ein vierköpfiges Team aus Deutschland in die Erdbebenregion entsandt hatte. Dennoch stimmten Hilfsorganisationen darin überein, dass das Land trotz der großen Eigenmittel unbedingt ausländische Hilfe und Spenden benötige.

US-Außenministerin Hillary Clinton wurde Dienstag früh in Chile erwartet. Das teilte das argentinische Außenministerin in Buenos Aires mit, wo Clinton am Montagnachmittag im Rahmen einer Südamerika-Rundreise erwartet wurde. Die Politikerin wolle sich ein Bild von den Auswirkungen des Erdbebens verschaffen.

711 Todesopfer
Die Zahl der registrierten Todesopfer wurde mit 711 angegeben. Die Zahl werde in Kürze weiter steigen, sagte Innenminister Edmundo Perez Yoma. "In den Küstenregionen hat ein Tsunami ganze Ortschaften fortgerissen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr schlechte Nachrichten werden wir bekommen." Das Erdbeben vom Samstag ist das fünfstärkste Beben gewesen, das jemals gemessen wurde.

In der Stadt Concepcion, die dem Epizentrum der Erdstöße am nächsten liegt, etwa 500 Kilometer südlich von der Hauptstadt Santiago, leerten sich in der Nacht auf Montag wegen der Ausgangssperre die Straßen. Zuvor hatte es Plünderungen gegeben. Bei der Verteilung von Lebensmitteln kam es zu Rangeleien. Auch aus der Hauptstadt Santiago wurden Plünderungen gemeldet. Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. In Concepcion musste deshalb sogar die Suche nach Verschütteten vorübergehend eingestellt werden.

Kein Wasser, kein Strom
Am Montag machten Helfer in den Trümmern eines 14-stöckigen Gebäudes Lebenszeichen aus. Rund um die Uhr versuchten sie, zu den Eingeschlossenen vorzudringen. Es soll sich um ein Ehepaar und vier Kinder handeln. Schwierig ist die Lage auch in dem kleinen Küstenort Pelluhue. Dort starben mindestens 40 der 3.000 Einwohner durch die vom Beben ausgelöste Flutwelle. Fast der ganze Ort wurde durch eine nach Augenzeugen bis zu zehn Meter hohe Flutwelle zerstört. Sie traf den Ort 40 Minuten nach dem Beben. Viele Holzbauten verschwanden ganz.

Am Montag flüchteten die traumatisierten Überlebenden erneut in höher gelegene Gebiete, weil das Gerücht über einen neuen Tsunami umging. Es gab kein Wasser, keinen Strom und alle Lebensmittel waren vernichtet. Die Menschen brauchen vor allem um Wasser, Zelte und Decken. Vor allem in Maule und Biobio gelten zahlreiche Menschen noch als vermisst. Die genaue Zahl der Obdachlosen war unbekannt. Bachelet hatte von 1,5 Millionen zerstörten oder beschädigten Wohnungen gesprochen. Concepcion hat sich in ein Niemandsland verwandelt. Menschen plünderten Apotheken und andere Geschäfte, die Polizei setzte auch hier Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschoße ein.

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