Depeschen verraten: Peking könne wiedervereinigtes Korea akzeptieren.
Die Enthüllungen der Internet-Plattform Wikileaks haben Risse im Verhältnis zwischen den Verbündeten China und Nordkorea offengelegt. Darin zeigten sich chinesische Regierungsvertreter frustriert über das Regime in Pjöngjang. Außerdem wird in den Depeschen spekuliert, Peking könne ein wiedervereinigtes Korea unter Führung Südkoreas akzeptieren, solange Seoul sich nicht aggressiv verhalte.
China sieht wirtschaftliche Möglichkeiten
In den diplomatischen Kabeln wird allerdings gewarnt, China werde keine amerikanischen Truppen nördlich der entmilitarisierten Zone, die derzeit die Grenze zwischen Nord- und Südkorea markiert, hinnehmen. Der damalige stellvertretende Außenminister von Südkorea, Chun Yung Woo, sagte demzufolge der amerikanischen Botschafterin Kathleen Stephens im Februar, China könne ein vereinigtes Korea akzeptieren, das den USA freundschaftlich verbunden sei. Chun erklärte weiter, wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten in einem vereinigten Korea könnten ein Grund für das Einverständnis der chinesischen Regierung sein.
Kein militärisches Eingreifen?
Chun sagte voraus, die Regierung in Pjöngjang werde nach dem Tod des erkrankten Staatschefs Kim Jong-il wohl innerhalb von drei Jahren zusammenbrechen. China wolle zwar den Status quo erhalten, habe aber kaum Möglichkeiten, einen Zusammenbruch zu verhindern. Peking verfüge über weit weniger Einfluss auf Pjöngjang als allgemein angenommen. Chun rechnete nicht damit, dass China militärisch eingreifen würde, sollte es in Nordkorea zum Chaos kommen.
Flüchtlinge erwartet
In den Memoranden hieß es, China bereite sich auf Unruhen entlang der Grenze vor, sollte das nordkoreanische Regime zusammenbrechen. Chinesische Regierungsvertreter werden mit den Worten zitiert, man könne bis zu 300.000 Flüchtlinge aufnehmen, müsse aber möglicherweise die Grenze schließen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Chinesische Politiker sollen sich auch über Nordkorea lustig gemacht haben, während öffentlich stets die engen Beziehungen beider Länder betont werden. Der damalige stellvertretende Außenminister He Yafei sagte demnach einem US-Vertreter im April 2009 nach einem nordkoreanischen Raketentest, Pjöngjang benehme sich wie ein "verzogenes Kind", das die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wolle.
Experte: Dokumente "verheerend"
"Das ist verheerend, aus vertraulichen Gesprächen zwischen China und den USA in den Zeitungen zu lesen", glaubt der Projektleiter von der Friedrich-Naumann-Stiftung für Korea, Walter Klitz. Es müssten jedoch vertrauliche Gespräche zwischen Diplomaten möglich sein. "Das hat aber auch eine politische Dimension, weil jetzt Informationen für Leute zugänglich gemacht worden sind, die sie in die Politik einfließen lassen - und das nicht im positiven Sinne", befürchtet Klitz. Das könnte Wasser auf den Mühlen der nordkoreanischen Machthaber sein. "Sie könnten daraus ableiten, dass China und die USA andere Absichten haben." Es könne jetzt passieren, dass Pjöngjang sagt: "Wir haben kein Interesse mehr an Gesprächen."
Wikileaks hat am Wochenende Hunderttausende Diplomaten-Depeschen
aus dem US-Außenministerium veröffentlicht. Die USA haben die Enthüllungen scharf kritisiert.