Boston Consulting: Leistbare Energie und höhere Erzeugung bei gleichzeitiger Reduktion der Umweltverschmutzung ist größte Herausforderung.
Chinas rasantes Wirtschaftswachstum ist mit einem enormen Anstieg des Energieverbrauch verbunden. Bei der Stromerzeugung dominiert Kohle. Die größte Herausforderung für die Energieproduktion ist die Reduktion der Umweltverschmutzung bei gleichzeitiger Steigerung der Erzeugung und leistbaren Energiekosten, geht aus einer Studie der Beratungsfirma Boston Consulting (BCG) hervor.
China sei bereits jetzt der größte Energieverbraucher der Welt, die USA seien 2010 überholt worden. Ein weiterer Anstieg sei zu erwarten. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) soll der Energieverbrauch bis 2020 neunmal so schnell wachsen wie in den USA und in der EU. Bis 2030 werde auf China fast ein Viertel des weltweiten Energiebedarfs entfallen, der Verbrauch um 60 Prozent höher als in den USA und doppelt so hoch wie in der EU sein.
2011 stammten 80 Prozent der produzierten Elektrizität aus Kohlekraftwerken. Bei der Stromerzeugungskapazität habe Kohle einen Anteil von 67 Prozent, der Rest entfalle auf Wasserkraft und zu kleineren Teilen auf Gas und Wind. China verfüge über große Kohlevorkommen: 97 Prozent des Bedarfs seien 2011 mit inländischer Kohle gedeckt worden. Wesentliche Nachteile der Kohle seien Ineffizienz - die durchschnittliche Energieeffizienz moderner Kohlekraftwerke liege bei etwa 35 Prozent - und die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt.
Um den Kohleeinsatz zu reduzieren seien nun bestimmte Ziele für die Entwicklung von saubereren Energiequellen und das Zurückfahren des Kohle-Anteils am Erzeugungs-Mix festgelegt worden. Die Reduktion der Kohle-Abhängigkeit angesichts einer stark steigenden Stromnachfrage werde sich als enormes und komplexes Unterfangen erweisen, wie es bisher noch in keinem Land erfolgt sei. So sei beispielsweise proportional ein enormer Aufbau der Stromerzeugungskapazitäten aus Gas, Nuklearenergie und Erneuerbaren erforderlich, so die BCG-Studie. Deshalb gebe es Handlungsbedarf an mehreren Fronten, etwa Zugang und Transport von ausländischem und schwierig zu erschließendem inländischen Gas, ein Aufstocken beim Bau von Atomkraftwerken und höhere Strompreisen während des Netzausbaus. Der Branchenverband China Electricity Council schätze die erforderlichen Ausgaben auf mehr als 13 Billionen Yuan (1,54 Billionen Euro) für den Zeitraum 2011 bis 2020.
Für eine Dekarbonisierung und Umgestaltung des Energiesystems gebe es aber noch eine Reihe von anderen dringenden Themen wie etwa die wachsende Abhängigkeit von Öl und Gas - aktuell würden mehr als die Hälfte des Öls und 10 Prozent des Erdgases importiert. Weiters müssten Investitionen in Umwelttechnologien beschleunigt werden und ein aktiveres Nachfragemanagement erfolgen. In Transport- und Übertragungskapazitäten müsse massiv investiert werden - die Nachfrage sei im Osten und Süden des Landes am größten, die Ressourcendichte im Norden und Westen. Zudem müssten hunderte von engerieintensiven Industrieanlagen zusammengelegt oder geschlossen werden, um die verglichen mit anderen großen Volkswirtschaften schlechte Energieeffizienz zu verbessern.
In der Studie gibt es drei Varianten. Im Basisszenario werden ein stetiger, aber schrittweiser Wachstumsrückgang sowie vernünftige Fortschritte bei den meisten Energiezielen angenommen. In diesem Fall geht man für den Zeitraum 2011 bis 2030 davon aus, dass sich der Energieverbrauch von 4.693 auf 10.166 Terawattstunden (TWh) mehr als verdoppelt, ebenso die Kapazität von 1.050 Gigawatt (GW) auf 2.211 GW. Der Anteil der Kohle am Erzeugungsmix würde von 67 auf 51 Prozent sinken. Steigen würden im Gegenzug der Anteil von Gas (von 3 auf 8 Prozent), von Wind (4 auf 14 Prozent), der Nuklearanteil von 1 auf 6 Prozent und der Solaranteil von weniger als 1 Prozent auf 3 Prozent.
Im Szenario eines langsamen Übergangs werden stärkere Wachstumsraten und geringere Erfolge bei der Zielerreichung angenommen. Das würde zu einem Anstieg der Stromnachfrage im Jahr 2030 auf 11.506 TWh und der Erzeugungskapazität auf 2.503 GW führen. Der Kohle-Anteil würde nur auf 60 Prozent der Kapazität zurückgehen.
Im "Clean World"-Szenario würde die Stromnachfrage dagegen nur auf 9.288 TWh und die Kapazität auf 2.021 GW steigen. Der Anteil der Kohle würde stark auf 40 Prozent sinken, Gas auf 13 Prozent steigen, Wind auf 15 Prozent, Atomkraft auf 7 Prozent und Solarenergie auf 3 Prozent. Wasserkraft (20 Prozent) würde nur etwas niedriger sein als 2011.
Am wahrscheinlichsten sehen die Experten, dass China auf einen "grüneren Pfad" einschwenkt, wobei Gas eine wichtige Rolle spielen werde, so Co-Studienautor David Michael zur APA. China stehe aber vor einer großen Herausforderung um von der Kohleabhängigkeit abzurücken. Um dies zu erreichen werde es auch nötig sein, die zusätzlichen Kosten an die Verbraucher weiterzugeben.
Ein entscheidender Schritt zu einer Umgestaltung wird laut Studie bei Gas auch die Beschleunigung bei der Inlandsproduktion sein, vor allem aus unkonventionellen Quellen. Besonders wichtig werde hier Schiefergas. Ein zentraler Punkt sei auch die Energieeffizienz. Der absolute Kohleverbrauch werde auch bei sinkendem Anteil am Erzeugungsmix steigen.
Fortgesetzt werden sollte der anspruchsvolle Nuklear-Ausbau-Plan, heißt es in der Studie weiter. Die "20-plus" in Bau befindlichen Atomkraftwerke sollten fertiggestellt und neue Projekte verfolgt werden, wo sie wirtschaftlich machbar seien.
Sichergestellt werden müsse auch eine anhaltende Langfrist-Entwicklung des "grünen" Sektors, beispielsweise durch Einspeisetarife oder Steueranreize. Vorangetrieben werden müsse auch die nachhaltige Wasserkraft. Unterstützung erfordere außerdem die Energieverteilung. Bei den Stromnetzen hätten sich Übertragungskapazitäten, Verlässlichkeit und Sicherheit in den letzten Jahren signifikant verbessert. Als eine der Herausforderungen bleibe aber die Integration des "grünen" Stroms.
Chinas Energie-Umgestaltung schaffe auch umfangreiche Geschäftsmöglichkeiten wie etwa Energielieferungen, energiebezogene Technologien und die Teilnahme an der Entwicklung unkonventioneller Energiequellen wie Schiefergas.