Costa Concordia

Kapitän verriet Freund, wie er von Bord ging

24.01.2012

Ermittler hörten Handy ab. Schettino: "Als sich Schiff neigte, bin ich abgestiegen."

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"Als ich begriffen habe, dass sich das Schiff neigte, habe ich mich gepackt und bin abgestiegen": Das sagte Francesco Schettino, Kapitän des am 13. Jänner vor der Toskana havarierten Kreuzfahrtschiffes, in einem Telefongespräch am Tag nach dem Unglück über seinen Entschluss, die "Costa Concordia" zu verlassen. Das Telefonat mit einem Bekannten wurde von der Polizei abgehört. Italienische Medien veröffentlichten die Protokolle am Dienstag. Noch am selben Abend wurde Schettino verhaftet. Bisher hatte der Kapitän stets behauptet, er sei in eine Schaluppe "gefallen". Deswegen habe er das Schiff verlassen. Von einem Felsen aus habe er dann die Evakuierungsaktion koordiniert.

In einem weiteren abgehörten Telefongespräch gab Schettino seine Verantwortung zu. Er habe sich zu stark der Insel Giglio genähert. "Ich hätte nicht so nah an die Insel fahren sollen", sagte er. Schettino gab im Telefonat zu verstehen, dass "ein Manager" Druck auf ihn gemacht habe, damit er das Manöver namens "Die Verneigung" unternehme, bei dem das Schiff in voller Beleuchtung und mit Schiffsirenen die Küstenbewohner grüßt. Wer dieser Manager sei, war noch unklar.

Auf den Seekarten sei der Fels nicht eingetragen gewesen, gegen den das Schiff geprallt sei, sagte Schettino. Nach der Havarie habe er alles Notwendige unternommen, um weitere Schäden zu vermeiden und Menschenleben zu retten.

Der Kapitän steht wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, des Schiffbruchs und des Verlassen der "Costa Concordia" vor Ende der Evakuierungsaktion unter Hausarrest in seinem Heimatort Meta di Sorrento südlich von Neapel. Ihm drohen bis zu 15 Jahren Haft.

Weitere Leiche gefunden
Einsatzkräfte fanden am Dienstag im Wrack des havarierten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" vor der italienischen Insel Giglio eine weitere Leiche. Dabei handelt es sich um eine ältere Frau, die eine Schwimmweste trug, teilte Italiens Zivilschutzbehörde mit.

Die Leiche befand sich unweit des Decks drei, zu dem sich die Tauchermannschaften mit Hilfe von Sprengkörpern Zugang verschaffen konnten. Dort werden weitere Leichen vermutet. Die Zahl der Todesopfer ist damit auf 16 gestiegen, 22 Menschen werden nach wie vor vermisst, teilte der Zivilschutz mit.

Suche unterbrochen
Die Suche nach möglichen weiteren Opfern ist wegen schlechten Wetters am Mittwoch vorübergehend eingestellt worden. Wegen der rauen See und des starken Windes musste die Suchaktion unterbrochen werden.

Verwesungsgeruch

Die 22 Vermisste werden im stockdunklen Bauch der Costa Concordia noch vermisst. In der Bordküche hinderte zunächst aufgequollenes Brot am Weiterkommen, berichtet BILD. Aber am Schlimmsten für die Taucher ist der Verwesungsgestank: "Stellen Sie sich vor, sie kommen aus dem Urlaub zurück und der Kühlschrank hat sich alleine abgeschaltet", berichtet Feuerwehr-Chef Enio Aquilino der "Daily Mail".

Vorwürfe an Reederei
Die Kreuzfahrtgesellschaft Costa Crociere gerät zunehmend ins Visier der Staatsanwälte. Wesentliche Sicherheitsvorkehrungen seien an Bord ignoriert worden, vermuten die Ermittler. Das Personal sei auf die Evakuierung vollkommen unvorbereitet gewesen. "Die einfachsten Sicherheitsvorkehrungen im Fall eines Notstands an Bord sind nicht berücksichtigt worden", bemängelte der ermittelnde Staatsanwalt Beniamino Deidda nach Medienangaben vom Dienstag. Im Chaos nach der Havarie seien die Gäste sogar aufgerufen worden, sich in ihre Kabinen zurückzuziehen. Niemand habe die Führung der Evakuierungsprozeduren übernommen.

Treibstoff abpumpen
Am Dienstag hat die niederländische Bergungsfirma Smit Salvage mit dem Abpumpen des Treibstoffs der Costa Concordia begonnen. Fachleute untersuchten zunächst das Schiff, in dem sich 2.400 Tonnen Dieselöl befinden. Vier Schiffe waren dafür im Einsatz, berichteten italienische Medien. Das Abpumpen des Treibstoffes könnte bis zu zwei Wochen dauern, so der italienische Umweltminister Corrado Clini.

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