Am jüdischen Feiertag Jom Kippur

Das ist der Nazi-Killer von Halle: Er streamte Tat live im Internet

09.10.2019

'Niemand rechnet mit der Internet-SS', soll der mutmaßliche Täter vor der Tat gesagt haben.

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Ein schwerbewaffneter Täter hat versucht, in einer Synagoge in der ostdeutschen Stadt Halle an der Saale ein Blutbad unter rund 80 Gläubigen anzurichten. Die jüdische Gemeinde entging an ihrem höchsten Feiertag Yom Kippur nur knapp einer Katastrophe. Deutschlands Innenminister Horst Seehofer sah "Anhaltspunkte" für ein "rechtsextremistisches" Motiv.

Der mutmaßliche Rechtsextremist Stephan B. aus dem ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt wollte nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Mittwochmittag die Synagoge mit Waffengewalt stürmen, scheiterte jedoch. Danach soll der 27-jährige Deutsche vor der Synagoge und in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben. Er floh vom Tatort und wurde am Nachmittag festgenommen. Er stellte ein Video der Tat ins Internet.
 

Seehofer spricht von antisemitischem Motiv

Erst nach langen Stunden des Wartens kristallisierte sich heraus, dass es sich um einen Einzeltäter handeln dürfte. Seehofer (CSU) sprach am Abend von einem antisemitischen Motiv. Der Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen rasch an sich gezogen hatte, habe zudem "ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund". Seehofer sagte weiter: "Der höchste jüdische Feiertag Yom Kippur ist heute ein schwarzer Tag. Ein schwer bewaffneter Täter hat versucht, in eine Synagoge einzudringen, in der sich rund 80 Menschen aufhielten."
 

 
© Screenshot Twitter
Stephan B. plante ein Massaker in einer Synagoge in Halle.

Sprengsätze vor Synagoge gelegt

Der schwer bewaffnete Balliet hat nach Angaben des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, die Synagoge direkt angegriffen. "Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen", sagte Privorozki der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".

Wie die dpa berichtet, legte er auch selbstgebastelte Sprengsätze vor der Synagoge ab.

"Aber unsere Türen haben gehalten." Außerdem hätten der oder die Täter versucht, das Tor des benachbarten jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte Privorozki. In der Synagoge habe die Gemeinde den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur gefeiert. Die Menschen seien geschockt gewesen. Vor der Tür habe ein Todesopfer des Angreifers gelegen. "Wir haben die Türen von innen verbarrikadiert und auf die Polizei gewartet." In Halle waren am Mittwoch zwei Menschen in der Nähe der Synagoge erschossen worden.

 
Mit diesen selbstgebauten Sprengsätzen versuchte er die Synagoge zu stürmen.

27-jähriger Deutscher streamte Tat live im Netz

Der mutmaßliche Täter, Stephan Balliet, der Angriffe in der ostdeutschen Stadt Halle an der Saale soll in den sozialen Netzwerken ein Bekennervideo hochgeladen haben. In dem am Mittwoch verbreiteten Video ist zu sehen, wie offensichtlich in der Innenstadt von Halle geschossen wird. Unter anderem zeigt das Video, wie in einem Döner-Imbiss mehrfach auf einen Mann geschossen wird, der hinter einem Kühlschrank liegt.

Die Aufnahmen stammen wohl von einer an einem Helm befestigten Kamera. Zu Beginn des Videos ist zu sehen, wie der mutmaßliche Täter in Kampfanzug mit Waffen in einem Auto sitzt. Der Mann gibt in schlechtem Englisch extrem antisemitische Äußerungen von sich.

Bis zum Abend gab es keine Bestätigung der Behörden dafür, dass es sich bei dem Mann im Video um den Attentäter handelt. Zu sehen ist ein junger Mann mit kahlem Schädel in Kampfmontur. Er trägt ein weißes Halstuch. Ein solches Halstuch hatte auch der vermummte Täter getragen, der auf Aufnahmen von den Tatorten zu sehen war.

"Niemand rechnet mit der Internet-SS"

Das Video dokumentiert allem Anschein nach den Ablauf der Angriffe in Halle aus Sicht des Attentäters. Eine Version des Videos war auf der Streaming-Plattform Twitch zu sehen, wurde dort allerdings gleich wieder gelöscht. Wie die, im rechten Milieu ansässige Website, "Breitbart" berichtet, soll der Täter in dem Video auf Englisch gesagt haben. "No one expects the internet SS", also "keiner rechnet mit der Internet-SS". Zu Beginn stellt er sich vor - nennt dabei aber nicht seinen echten Namen, sondern nur einen Decknamen - und beginnt dann mit seinen rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen. Er leugnet den Holocaust, nennt den Feminismus ein "großes Problem weltweit" und anschließend gibt er den Juden die Schuld an allem.

 
Mehrmals feuert der Attentäter auf die Tür der Synagoge. Doch die Tür hielt den Schüssen stand.

In den Aufnahmen ist zu sehen, wie der Filmende vergeblich versucht, in die Synagoge an der Humboldtstraße zu gelangen. Die Tür bleibt allerdings verschlossen. Daraufhin schießt der Täter auf der Straße einer Passantin mehrfach in den Rücken, die ihn zuvor angesprochen hatte. Die Frau bleibt leblos neben dem Fahrzeug des Täters liegen. Es ist auch zu sehen, wie der Mann in Kampfmontur auf der Straße auf einen Mann zielt, seine Waffe hat aber wohl Ladehemmung. Das Opfer, vermutlich ein Kurierfahrer, kann unverletzt entkommen. "Pech", sagt die Stimme des Filmenden.


 
Während er einen Sprengsatz zündete, stellte er seine Waffe an der Mauer ab.

Er tötete Mann in Döner-Laden

Der mutmaßliche Täter fährt danach mit einem Auto durch die Stadt. Er sagt immer wieder auf Englisch, dass er ein "Loser" (Verlierer) sei. Bei einem Döner-Imbiss in der Ludwig-Wucherer-Straße ("Kiez-Döner") steigt der Mann aus, geht in den Laden und schießt mehrfach auf ein Opfer. Anschließend schießt der Mann - so zeigt es das Video - auf eine Polizeistreife, die sich ihm in den Weg stellt. Der Mann berichtet an seine mutmaßlichen Livestream-Zuschauer, dass er am Hals angeschossen worden sei.

Das insgesamt knapp 36 Minuten lange Video liegt dpa vor. Es hat den Anschein, dass der Täter während der Tat per Livestream mit Personen kommuniziert.
 

Christchurch-Massaker als Vorbild?

Das Vorgehen ähnelt dem Ablauf des Anschlags von Christchurch in Neuseeland. Bei dem Anschlag auf eine Moschee Mitte März waren 51 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Dem mutmaßlichen Täter droht lebenslange Gefängnishaft. Er hatte den Anschlag mit einer Helmkamera live auf Facebook übertragen.

 

 

"Hallo, mein Name ist Anon"

Zu Beginn des Videos stellt sich B. als "Anon" vor. So nennen sich eigentlich Leute, die auf #4chan & Co. unterwegs sind. Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die es liebt zu provozieren. Am häufigsten werden dafür Nazi-Symbole verwendet.

Polizei bestätigt Festnahme des Schützen

Nach den tödlichen Schüssen in Halle an der Saale hat die Polizei die Festnahme des mutmaßlichen Schützen bestätigt. "Die festgenommene Person ist der Tatverdächtige", sagte ein Polizeisprecher am Mittwochabend. Der Mann sei verletzt worden. "Er wurde versorgt", fügte der Sprecher hinzu. Ob er sich im Krankenhaus befindet, konnte er nicht sagen.
 

Täter wurde gefilmt

Der Verdächtige wurde gefilmt als er Schüsse abgab. Er war in Bundeswehr-Uniform mit Stahl-Helm bekleidet. Außerdem hat er eine Helm-Kamera getragen. 

© Twitter

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© APA

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Ein Augenzeuge berichtet

Eine Person festgenommen

Ein erster Verdächtiger konnte laut Polizei bereits festgenommen werden. Die Polizei forderte die Menschen in Halle dazu auf, in ihren Wohnungen zu bleiben oder sichere Orte aufzusuchen. Die deutsche Bahn hat den Betrieb in Halle eingestellt – es fahren keine Züge. 

Die ermittelnde Polizeiinspektion schrieb jedoch auf Twitter, dass es mehrere tote Personen geben soll. Derzeit ist von zwei Todesopfern die Rede. Die Bevölkerung wird dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben.  "Die mutmaßlichen Täter sind mit einem Fahrzeug flüchtig. Wir fahnden mit Hochdruck und bitten die Bevölkerung, in ihren Wohnungen zu bleiben", teilte die Polizei in Halle am Mittwoch per Twitter mit.

Laut Medienberichten soll der Täter eine Handgranate auf einen angrenzenden jüdischen Friedhof geworfen haben.
 
 

Ein Toter auf der Straße

Ein Toter liegt nach den Schüssen in Halle auf der Straße, wurde von den Beamten abgedeckt.
 
© dpa/APA
 

So warnte die Polizei

 

Bahnhof gesperrt

Die Bluttat fällt auf Jom Kippur – den höchsten jüdischen Feiertag, der als strenger Ruhe- und Fastentag begangen wird.
 
Die deutsche Bahn teilte auf Twitter mit, dass der Bahnhof Halle gesperrt wurde.
 
 

Behörden: "Besondere Lage"

Nach Informationen der "Mitteldeutschen Zeitung" gehen die Behörden von einer "besonderen Lage" aus und versetzen derzeit alle verfügbaren Polizeieinheiten nach Halle.
 
Nach dem Angriff in der Stadt soll es laut der "Bild" in Wiedersdorf, rund zehn Kilometer östlich von Halle, zu einem Schusswechsel gekommen sein. Es war zunächst unklar, ob es einen Zusammenhang mit den Vorfällen in Halle gab.
 
© google maps

Polizei warnt vor Schusswaffengebrauch

Das Lagezentrum der Landesregierung warnte unterdessen vor einem "Schusswaffengebrauch im Bereich Landsberg" östlich von Halle. Anrainer wurden ebenfalls aufgefordert, Gebäude und Wohnungen nicht zu verlassen. Laut Medienberichten handelte es sich um die kleine Ortschaft Wiedersdorf, die zur Stadt Landsberg gehört und rund zehn Kilometer östlich von Halle liegt. Die Polizei bestätigte zunächst nur, dass es auch in Landsberg Schüsse gegeben habe. Zu den näheren Umständen äußerte sich die Sprecherin nicht.
 
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