Der Kreml-Chef soll die Ermordung seines Erzfeindes angeordnet haben.
Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny hätte im Rahmen eines Gefangenenaustauschs westlicher Staaten mit Russland freikommen sollen. Kreml-Chef Wladimir Putin sei ein entsprechendes Angebot gemacht worden, sagte die Nawalny-Unterstützerin Maria Pewtschich am Montag in Moskau. Im Gegenzug hätte der in Deutschland inhaftierte "Tiergarten-Mörder" Wadim Krasikow nach Russland zurückkehren sollen. Putin hatte jüngst Tauschbereitschaft für Krasikow angedeutet.
Laut Pewtschich waren die Gespräche über den Austausch am Abend des 15. Februar in der abschließenden Phase, als Nawalny am 16. Februar in einem russischen Straflager starb. "Nawalny wurde getötet, weil er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs befreit werden sollte", betonte die Direktorin des Nawalny-Fonds für die Bekämpfung der Korruption. Neben Nawalny hätten auch zwei US-Bürger freikommen sollen.
"Verrückter Mafioso"
Pewtschich warf Putin vor, die Tötung Nawalnys persönlich angeordnet zu haben. Der Kreml-Chef habe Nawalny um keinen Preis freigeben wollen. Er habe erkannt, dass der Westen bereit sei, Wadim K. auszutauschen und dann entschieden, Nawalny als Tauschobjekt loszuwerden, vermutet Pewtschich. "Das ist das absolut unlogische, irrationale Verhalten eines verrückten Mafioso", sagte sie. Demnach soll Putin die Ermordung Nawalnys am Abend des 15. Februar angeordnet haben.
Tiergarten-Mord
Putin hatte Spekulationen über einen Austausch Anfang Februar durch Aussagen in einem Interview mit dem US-Moderator Tucker Carlson angeheizt. Ohne ihn namentlich zu nennen, deutete Putin an, dass er sich die Freilassung von Krasikow wünscht. Zugleich zeigte er sich offen für die Freilassung des im Vorjahr in Russland inhaftierten US-Journalisten Evan Gershkovich vom "Wall Street Journal". Der deutsche Kanzler Olaf Scholz gab sich in einer ersten Reaktion auf Putins Aussagen zurückhaltend. "Ich glaube, dass solche delikaten Fragen sehr vertraulich an vielen Stellen erörtert werden müssen", sagte er am Rande eines Treffens mit US-Präsident Joe Biden am 9. Februar in Washington.
Krasikow war im Dezember 2021 zu lebenslanger Haft für den Mord im Berliner Tiergarten an einem Georgier verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die russische Regierung hinter der Tat steckt. US-Angaben zufolge wollte das Putin-Regime den Mörder bereits im Zusammenhang mit der wegen Drogenvorwürfen festgenommenen amerikanischen Basketballerin Brittney Griner freipressen. Das kam aber für Washington nicht infrage, weil es sich bei Krasikow um einen Kapitalverbrecher handelt. Griner wurde schließlich im Dezember 2022 für den berüchtigten Waffenhändler Viktor Bout getauscht.
Nawalny hatte einen engen Bezug zu Deutschland. Er war nach dem Giftanschlag russischer Geheimdienste auf ihn im August 2020 in die Berliner Charité gebracht und behandelt worden. Im Jänner 2021 entschloss er sich zur Rückkehr nach Russland, wo er umgehend inhaftiert und in mehreren politisch gesteuerten Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurde.
Eine Sprecherin der deutschen Bundesregierung lehnte eine Stellungnahme zu den Angaben von Pewtschich ab. Scholz machte am Montag Kreml-Chef Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich. "Auch ich gehe wie alle anderen davon aus, dass es das Regime war, das ihn getötet hat", sagte der sozialdemokratische Politiker bei der dpa-Chefredaktionskonferenz in Berlin. Russland sei eine Diktatur. "Sein Tod ist jetzt die Konsequenz einer Diktatur."
Die Nawalny-Unterstützerin kündigte am Montag auch an, dass noch diese Woche die Beisetzung des verstorbenen Oppositionsführers stattfinden solle. Man sei derzeit auf der Suche nach einem Ort für ein öffentliches Begräbnis, sagte sie. Bei Gedenkakten für Nawalny hatte es in den vergangenen Tagen regelmäßig massive Polizeigewalt und Festnahmen gegeben. Nawalnys Mutter Ljudmila hatte die Leiche erst am Freitag nach tagelangem Tauziehen erhalten und den Behörden vorgeworfen, sie zu einem heimlichen Begräbnis zwingen zu wollen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow tat dies am Montag als "weitere absurde Äußerungen der Anhänger (Nawalnys) ab".