Kein Rücktritt
Das Wulff-Interview im Wortlaut
04.01.2012
Der deutsche Bundespräsident stand ARD und ZDF Rede und Antwort.
Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff will sich heute zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen äußern: Er gibt ARD und ZDF ein gemeinsames Fernsehinterview. Nach der Affäre um seinen Hauskredit ist er wegen des Versuchs, die Berichterstattung darüber in der "Bild"-Zeitung zu verhindern, massiv in die Kritik geraten.
Das Interview im Wortlaut
Bettina Schausten (ZDF): „Sie sind heute am ersten Tag wieder im Schloss Bellevue am Arbeitsplatz. Der Jahreswechsel liegt hinter Ihnen. Haben Sie in den letzten Tagen auch mal ernsthaft an Rücktritt gedacht?
Christian Wulff: „Nein. Denn ich hatte die ganzen Wochen über große Unterstützung von vielen Bürgerinnen und Bürgern, meiner Freunde und auch der Mitarbeiter. Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr, ich habe sie für fünf Jahre übernommen. Und ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war; und ich mache das mit Freude und aus Überzeugung und weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe.“
Schausten: „Waren Sie es bisher nicht, ein guter Bundespräsident?“
Wulff: „Doch, aber es wird ja im Moment gerade über die letzten Wochen gesprochen, und da steht es in Abrede und man muss am Ende nach fünf Jahren bewerten und beurteilen. Und ich glaube auch, vor drei Wochen wäre über die ersten anderthalb Jahre ein gutes Urteil ausgefallen.“
Ulrich Deppendorf: „Jetzt kommen wir mal zu den Kritikpunkten, die Ihnen vorgeworfen werden. Sie sind in den letzten Tagen besonders in die Kritik geraten wegen der Anrufe bei dem Chefredakteur der BILD-Zeitung, Kai Diekmann, und bei dem Vorstandsvorsitzenden des Springer-Konzerns, Herrn Döpfner. Ihnen wird Verletzung des Grundrechts der Pressefreiheit vorgeworfen. Sie sollen auf dem Band beide Herren bedroht haben. Sie sprechen von Krieg führen, vom endgültigen Bruch. Ist so etwas nicht unwürdig für einen Präsidenten, der eine kritische Berichterstattung auf diese Art und Weiseverhindern will?“
Wulff: „Der Anruf bei dem Chefredakteur der BILD-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir leid tut, für den ich mich entschuldige. Ich habe das auch sogleich nach der Rückkehr aus dem Ausland persönlich getan, es ist auch akzeptiert worden. Ich habe mich in der Erklärung vor Weihnachten ausdrücklich zum Recht der Presse- und Meinungsfreiheit bekannt, und halte das für mein eigenes Amtsverständnis nicht vereinbar. Denn ich will natürlich besonnen, objektiv neutral mit Distanz als Bundespräsident agieren. Und ich möchte vor allem Respekt vor den Grundrechten, auch dem der Presse- und Meinungsfreiheit haben, und habe mich offenkundig in dem Moment eher als Opfer gesehen, als denjenigen, der eine Bringschuld hat gegenüber der Öffentlichkeit, Transparenz herzustellen und auch berechtigte Fragen zu beantworten.
Deppendorf: „Aber besonnen – haben Sie gerade genannt – wollen Sie agieren. Das ist aber kein Zeichen von Besonnenheit, wenn dann ein Präsident zu einem Telefonhörer greift und einen Chefredakteur mehr oder weniger auf der Mailbox beschimpft.“
Wulff: „Nein. Ich muss mein Verhältnis zu den Medien herstellen, neu ordnen, anders mit den Medien umgehen, sie als Mittler stärker einbinden und anerkennen. Sie haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie. Die Medien haben auch ihre Verantwortung, aber die müssen sie selber unter sich ausmachen. Vielleicht muss man die Situation auch menschlich verstehen. Wenn man im Ausland ist, in vier Ländern in fünf Tagen, zehn Termine am Tag hat und erfährt, dass Dinge während dieser Zeit in Deutschland veröffentlicht werden sollen, wo man mit Unwahrheit in Verbindung, wo man also Vertrauensverlust erleidet, dann muss sich auch vor seine Familie stellen.
Wenn das Innerste nach außen gekehrt wird, private Dinge, eine Familienhaus-Finanzierung, wenn Freunde den Kredit gegeben haben, in die Öffentlichkeit gezogen werden, dann hat man (eine) Schutzfunktion und man fühlt sich hilflos. Und ich habe dann gebeten, um einen Tag die Veröffentlichung zu verschieden, damit man darüber reden kann, damit sie sachgemäß ausfallen kann. Und ich hatte vor meiner Auslandsreise, nachdem in meinem Umfeld, im Dorf, recherchiert worden war von den Redakteuren, es ging um Korruption, das hat das ganze Dorf aufgeschreckt, den Vertrag offen gelegt, die Bedingungen gezeigt und die private Kreditgeberin genannt, und war dann doch erstaunt, dass während meines Auslandsaufenthaltes diese Veröffentlichung erfolgen sollte.
Trotzdem, das ist keine Entschuldigung, das ist auch keine ausreichende Erklärung, aber vielleicht der Impuls, der dazu geführt hat. Das wiederum ist menschlich, aber man muss eben als Bundespräsident die Dinge so im Griff haben, dass einem das eben nicht passiert. Und trotzdem ist man Mensch und man macht Fehler.“
Schausten: „Nun sagen Sie, an der Stelle haben Sie sich offenbar als Opfer gefühlt. Sie achten die Pressefreiheit, was schon ein bisschen erstaunlich ist, dass ein Bundespräsident das betonen muss. Nun hat man aber das Gefühl, das ist vielleicht nur ein Lippenbekenntnis. Wir haben ja auch gehört, dass sie vor einem halben Jahr einen Redakteur der „Welt am Sonntag“ auch bereits im Schloss Bellevue (...) bearbeitet haben, dass er eine bestimmte Berichtererstattung nicht bringt.“
Wulff: „Wenn sie die Erfahrung machen, dass privateste Dinge aus dem privatesten Bereich zum Teil Jahrzehnte zurückliegen, aus einer schwierigen Kindheit, einer schwierigen Familie öffentlich gemacht werden, und sie kurz vor der Veröffentlichung mit den Fakten konfrontiert werden, dann ist es doch normal, dass man darum bittet, noch einmal ein Gespräch zu führen. Und der Redakteur hat sich über die Gelegenheit gefreut, er hat mit mir gesprochen. Und es ist dann nichts zurückgeblieben. (...)
Ich musste ja auch einen Lernprozess machen. Ich bin vom Ministerpräsidenten zum Bundespräsidenten ja sehr schnell gekommen, ohne Karenzzeit, ohne Vorbereitungszeit, das ging sehr schnell. Und ich bin aus Hannover nach Berlin gekommen (...), aber trotzdem ist es noch etwas anderes, ob man als Ministerpräsident Akteur ist, oder ob man als Staatsoberhaupt den präsidialen Anforderungen genügt.“
Deppendorf: „Können Sie jetzt glaubwürdig zum Beispiel die Pressefreiheit in anderen Ländern, auch in Ungarn, verteidigen?”
Wulff: „Ich habe das ja gerade getan, auch bei dieser Reise in der arabischen Welt. Und habe dort vor Studenten und Studentinnen gesagt, das ist schmerzhaft. Das ist für die Betroffenen schmerzhaft, das kann für die Familien sehr schmerzhaft sein. Das ist eben dann auch der Preis der Popularität, der Bekanntheit der Öffentlichkeit, dass man Dinge offenbaren muss, wo viele anderen sagen, das würde ich doch niemals offenbaren, ich möchte doch niemals, dass das über meine Stiefschwestern, Kinder, Verwandten Geschichten in der Zeitung stehen. Wir müssen auch aufpassen, dass überhaupt noch Menschen bereit sind, sich dieser Sache - auch im Internet, wenn Sie da sehen, was da über meine Frau alles verbreitet wird an Fantasien - dann kann ich nur sagen, da müssen wir doch auch sehen, dass die Menschen noch bereit sind, sich der Öffentlichkeit zu stellen, in die Öffentlichkeit zu gehen. Insofern ist es das ein schwieriges Feld, aber ich sage, ich habe einen Fehler gemacht, aus innerer Überzeugung. Ich hatte nun über Weihnachten Zeit, diese Dinge auch zu reflektieren und räume diesen Fehler ein, hatte ihn allerdings auch gleich nach Rückkehr in einer Entschuldigung gegenüber dem Chefredakteur zum Ausdruck gebracht.”
Schausten: „Müsste aber nicht umso mehr für einen Bundespräsidenten, der die Grundrecht ja nun vertritt und zu achten hat, der Versuch, unliebsame Berichterstattung im Vorhinein zu verhindern, tabu sein?”
Wulff: „Ich habe nicht versucht, sie zu verhindern. Ich habe darum gebeten, einfach abzuwarten, und in der Berichterstattung aufzunehmen, dass ich den Vertrag offenbart habe, die private Kreditgeberin genannt habe und nicht zu berichten, man habe das recherchiert. Darüber gab es die Auseinandersetzung. Letztlich gibt es natürlich auch Persönlichkeitsrechte, es gibt auch Menschenrechte selbst für Bundespräsidenten, und auch deren Freunde, deren Angehörige, und ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand von Freunden kein Geld mehr leihen kann. Das will ich auch mal sagen, sollten wir auch im Blick behalten.”
Deppendorf: „Ihre Glaubwürdigkeit hat ja vor allem deswegen Schaden genommen, dass Sie zwar vollständige Aufklärung in ihren Fällen versprochen haben, die Fakten aber immer nur scheibchenweise herausgekommen sind, die Sie nur scheibchenweise auf den Tisch gelegt haben. Warum diese Salami-Taktik? Das war doch eigentlich auch unwürdig.”
Wulff: „Wenn sie 400 Fragen bekommen, wir haben inzwischen 400 Fragen durch die von mir beauftragten Anwälte, ich habe ja Anwälte gebeten, weil das ganze nicht in meiner Amtszeit spielt, es ist alles vorher, geht zum Teil in die 70er Jahre zurück, die Fragen, die da kommen. Und deswegen sind die Anwälte beauftragt, nicht das Bundespräsidialamt damit beschäftigt. Die haben jetzt rund 400 Fragen beantwortet, alle sachgemäß nach bestem Wissen und Gewissen. Und wenn sie 400 scheibchenweise Fragen bekommen, wo sie sich manchmal wirklich fragen müssen, was sich dahinter verbirgt, dann können sie auch nur scheibchenweise antworten. Die Grunddaten der Finanzierung unseres Einfamilienhauses habe ich von Anfang an genannt. Mit der privaten Finanzierung, mit der Geldmarktfinanzierung, mit der Umwandlung in langfristige Hypothekenfinanzierung. Alles ist erwähnt in der ersten Erklärung nach Rückkehr aus dem Ausland.”
Schausten: „Aber am Anfang stand eine Auskunft an den niedersächsischen Landtag, die sagen wir mal, die mindestens unvollständig war. Sie haben das eingeräumt. Haben sich dafür auch entschuldigt, aber warum haben Sie nicht von Anfang an klipp und klar gesagt, dass Herr Egon Geerkens auch in dieses Kreditgeschäft, an diesem Kreditgeschäft beteiligt war?”
Wulff: „Ja, das ist ja nun langsam, finde ich jedenfalls, sehr, sehr klar, Frau Geerkens hat mir das angeboten, hat mir die 500.000 Euro zur Verfügung gestellt von ihrem Konto. Ich habe auf ihr Konto die Zinsen gezahlt und auf ihr Konto ist der Betrag von der Bank dann abgelöst worden.”
Schausten: „Aber warum diese spitzfindige ...”
Wulff: „Ich habe bereits am 15. Dezember gesagt, dass Herr Geerkens, der langjährige Freund seit Schulzeiten, väterlicher Freund, den ich seit 35 Jahren als Begleiter habe, und der auch die Verbindung zur Bank hergestellt hat, was dann auch als Neuigkeit verkündet wurde. Im Landtag hätte ich sagen sollen, es ist zwar nicht nach Frau Geerkens gefragt, sondern nach Herrn Geerkens seinen Firmen, seinen Unternehmungen. Da habe ich keine Beziehung. Aber ich räume hier ein, dass ich Beziehungen zu Frau Geerkens habe. Das hätte ich sagen sollen, wenn ich es heute noch mal entscheiden könnte von vornherein, dann würde ich heute in dem Moment, wo ich dieses Haus kaufe, ein Interview geben und sagen, ich habe dieses Haus gekauft mit Hilfe von Freunden, die mir für die Anfangszeit und Sanierung Geld zur Verfügung gestellt haben, ordentlich verzinst.”
Schausten: „Warum haben Sie es nicht gesagt, weil es Ihnen unangenehm war, weil es Ihnen, weil Sie das Gefühl hatten, das ist nicht in Ordnung?”
Wulff: „In einer parlamentarischen Auseinandersetzung, wenn sozusagen die aufgebrachte Stimmung ist über ein Upgrade beim Urlaubsflug mit ihrer Familie und sie dort die Dinge einräumen, Dinge einräumen, die sie nicht einräumen müssten, wo sie Urlaub gemacht haben z. B. und dann diese weitergehenden Fragen kommen, dann stehen sie immer unter der Abwägung was ist privat, was ist öffentlich, was muss hier genannt werden, und was geht nicht alle etwas an. Ich glaube, diese Erfahrung, dass man die Transparenz weiter treiben muss, die setzt auch neue Maßstäbe. Morgen früh werden meine Anwälte alles ins Internet einstellen. Dann kann jede Bürgerin, jeder Bürger, jedes Details zu den Abläufen sehen und bewertet sie auch rechtlich. Und Ich glaube nicht, dass es das oft in der Vergangenheit gegeben hat und wenn es das in Zukunft immer gibt, wird es auch unsere Republik offenkundig auch zu mehr Transparenz positiv verändern.”
Deppendorf: „Sie haben gerade die Bank erwähnt, die BW-Bank in Baden-Württemberg. Herr Geerkens war es ja wohl auch, der dort für Sie ein gutes Wort eingelegt hat. Sie haben einen Privatkredit bekommen zu ungewöhnlich günstigen Bedingungen, über den jeder normale Bürger ja nicht nur neidisch sein kann. Wie kam es zu diesen besonderen Konditionen? Und haben Sie eigentlich eine Sicherheit gegeben für Ihren Kredit?”
Wulff: „Es sind ganz normale übliche Konditionen. Das ist keine Immobilienfinanzierung, keine Hausfinanzierung, sondern es ist eine Kreditmarktbereitstellung. Jeweils immer für drei Monate. Und man muss es doch sehen: 2008 war die Bankenkrise. Da wollte Frau Geerkens das Geld bei mir anlegen zu diesen Zinsen, weil in der Bankenwelt das so auch gar nicht ohne Weiteres realisierbar war. Dann sind wir zur Bank gegangen auf Vermittlung von Herrn Geerkens. Die machen eine Bewertung der Sicherheiten, Steuererklärung, Doppelverdiener, Einkommensverhältnisse, keine sonstigen Kredite, zwei unbelastete Immobilien. Also eine insgesamt 60-Prozent-Finanzierung. Und dann bewerten die das Risiko. Und bei dieser Sicherheitenlage, die ich natürlich nachgewiesen habe mit all den Unterlagen, mit einem Sachverständigengutachten über das Haus, was sie haben anfertigen lassen, gibt's dann diesen Zinssatz, angekoppelt an den Geldmarktzins. Das gesamte Zinsentwicklungsrisiko lag doch bei mir, hab ich doch getragen.”
Deppendorf: „Wie sind Sie eigentlich auf die BW-Bank gekommen? Hat das etwas mit Ihrer Aufsichtsratsmitgliedschaft bei VW zu tun? Denn in der Zeit der Übernahme - also durch Porsche - da war die BW-Bank ja in große Schwierigkeiten geraten.”
Wulff: „Nach meiner Kenntnis nicht. Über Aufsichtsratsanlegenheiten darf ich ja nicht reden. Da kann nur der Aufsichtsratsvorsitzende reden. Wenn ich das richtig erinnere, dann hat das VW-Unternehmen mit allen Banken in Deutschland Kontakte. Das heißt, ich könnte als Aufsichtsrat von Volkswagen mit keiner Bank mehr überhaupt Geschäfte machen. Wenn ich es richtig sehe, geht's da immer um die LBBW und nicht um die BW-Bank. Und die BW-Bank war Bank von Herrn Geerkens und hat gesagt, wir sind auch interessiert, uns die Sache bei Herrn Wulff anzugucken. Und sie haben dann dieses Geldmarktangebot gemacht. Und das ist so, wie andere die Bedingungen auch haben. Die Sicherheitenlage hat das so hervorgebracht. Und dann haben wir es umgewandelt auf Empfehlung der BW-Bank. Nach dem Motto: Jetzt steigen die Zinsen. Und am 25.11. haben wir es umgewandelt, haben uns geeinigt. Die haben sich abgesichert an den Finanzmärkten für diesen Kredit. Und zum 16. Januar wird er jetzt umgewandelt in ein langfristiges Darlehen.”
Schausten: „Am 15. Dezember - bleiben wir an dem Punkt nochmal - war es so, dass Sie auch schon erklärt haben, dass Sie nun, wie Sie gesagt haben, inzwischen das Ganze in ein langfristiges Bankdarlehen festgeschrieben hätten. Und da ist wieder so ein Punkt, Herr Bundespräsident, dass man das Gefühl hat, Sie müssen auch zu Transparenz getrieben werden. Denn es gab bis dato eben noch keine Unterschriften. Sie haben den Eindruck erweckt, das ist längst alles schon in trockenen Tüchern gebracht. Aber es beginnt eben jetzt überhaupt erst am 16. Januar und auch das müssen dann erst Medien sozusagen wieder nachweisen. Dadurch entsteht der Eindruck von scheibchenweiser Salamitaktik.”
Wulff: „Ich glaube, manchmal ist auch sozusagen die Suche vielleicht auch von einem Misstrauen geprägt, was die Sachlage nicht rechtfertigt. Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen. Am 25.11.! Dass der dann noch sozusagen vertraglich unterschrieben wird, die Bank mir das zuschickt, ich das zurückschicke, ist eine Durchführung, die aber gar nicht notwendig ist, weil ein mündlicher Vertragsschluss reichen würde. Es gilt auch Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt.”
Deppendorf: „Herr Bundespräsident, Sie haben - die einen sagen, es waren ziemliche Zinsvorteile - Sie sagen nein - aber es gibt auch teilweise unbezahlte Urlaube bei Industriellen. Kritiker werfen Ihnen da nun einen Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz vor. Der SPD-Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann fordert Sie nun auf, diese Frage durch Sie selbst klären zu lassen. Werden Sie dem nachkommen?”
Wulff: „Die Landesregierung wird dazu sich äußern. Und dann ist jedem freigestellt, den Staatsgerichtshof anzurufen. Es ist eindeutig keine Verstoß gegen das Ministergesetz, weil diese - wo ich gewohnt habe - in fast zehn Jahren sechs Mal oder so - das sind Freunde, die ich aus Schulzeiten habe. Und wenn aus einem netten Menschen mit seiner Frau, die einen Süßwarenladen auf Norderney haben, ein Luxusferiendomizil wird, die ein Gästezimmer haben, und wir in diesem Gästezimmer Urlaub machen, wo selbst dort noch vor der Tür Fotografen sozusagen dann sind, um die Familie im Urlaub zu fotografieren, dann ist es so, dass, wenn die bei uns in Berlin sind, wir keine Rechnung stellen für die benutzte Bettwäsche. Und wenn wir bei denen auf Norderney sind, die kenne ich seit dem 14. Lebensjahr!”
Deppendorf: „Sie waren auch Gast bei einem Vorstandsvorsitzenden einer großen deutschen Versicherungsfirma!”
Wulff: „Mit dem ich seit Jahren eng befreundet bin. Der ausgeschieden ist, der heute sozusagen Pensionär ist. Und der gesagt hat: Wenn Sie jetzt gerade die Scheidung geheim gehalten haben, die Hochzeit geheim gehalten haben und alle sozusagen Ihnen auf den Fersen sind...”
Deppendorf: „Aber haben Sie kein Unrechtsbewusstsein gehabt als Ministerpräsident, sich sozusagen einladen zu lassen bei Freunden?”
Wulff: „Wenn man als Ministerpräsident keine Freunde mehr haben darf und wenn alle Politikerinnen und Politiker in Deutschland ab sofort nicht mehr bei Freunden übernachten dürfen, sondern, wenn Sie bei den Freunden im Gästezimmer übernachten, nach einer Rechnung verlangen müssen, dann verändert sich die Republik zum Negativen. Davon bin ich fest überzeugt. Und deswegen stehe ich zu diesen sechs Urlauben bei Freunden auf Norderney oder fünf, sechs Tage dort in Italien oder sieben Tage bei Freunden, mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen. Da erhebe ich auch keine Rechnung, wenn mich die Freunde hier in Berlin besuchen.”
Schausten: „Aber da hätten Sie natürlich auch sagen können: Ich gebe Euch mal pro Nacht 150 Euro. Sowas. Was spricht dagegen eigentlich?”
Wulff: „Machen Sie das bei Ihren Freunden so?”
Schausten: „Ja.”
Wulff: „Dann unterscheidet Sie das von mir im Umgang mit den Freunden. Jetzt als Bundespräsident, habe ich Ja gesagt, war es ein Fehler, überhaupt bei einem Unternehmer zu übernachten.”
Deppendorf: „Was sagen Sie eigentlich Ihren Beamten? Oder was sagen Sie den Beamten, wenn sie sowas machen würden?”
Wulff: „Dass die Beamten bei Ihren Freunden übernachten dürfen.”
Deppendorf: „Nein, dass Sie bei, ich sag mal, möglichen Verhandlungspartnern – es gibt ja auch den Anschein, was sagen Sie den Beamten, die da möglicherweise konsequent sind?”
Wulff: „Das ist genau der Unterschied. Wenn es dienstliche Kontakte gibt, wenn es in Bezug auf das Amt geleistet wird, dann kommt es überhaupt nicht infrage. So ist genau die Regelung. Aber dies wird nicht in Bezug auf das Amt gemacht, denn ich bin in Norderney schon gewesen oder in Spanien, als ich noch gar nicht im Amt war. Ich kenn den Herrn Geerkens, seit ich 14, 15, 16 bin. Den kannte mein Vater, der war mit dem eng befreundet. Und wenn man den seitdem kennt und ihn besucht hat und er uns besucht hat und man sich ein Leben lang begleitet, dann ist das nicht auf das Amt bezogen. Sondern dann ist das eine private Beziehung, die auch Politikern möglich sein muss.”
Schausten: „Wenn wir mal alles zusammen nehmen, ist natürlich ein Problem auch, Herr Bundespräsident, dass Sie in der Vergangenheit allerhöchste Maßstäbe selbst an alles angelegt haben. Ich darf Sie einmal zitieren in Zusammenhang mit Johannes Rau, der damals mit einer Flugaffäre konfrontiert war. Es ging um die Flugbereitschaft der West-LB. Da haben Sie gesagt, es ist tragisch, dass Deutschland in dieser schwierigen Zeit keinen unbefangenen Bundespräsidenten hat, der seine Stimme mit Autorität erheben kann. Man findet noch viele andere entsprechend hochstehende Sätze von Ihnen. Haben Sie noch diese Unbefangenheit, haben Sie noch Autorität jetzt?”
Wulff: „Also wir müssen alle hohe Ansprüche haben in dem Wissen, dass wir alle fehlbar sind. Und natürlich denkt man viel jetzt über die Bibelstelle nach: Derjenige, der ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein. Und alle gingen bei dieser Steinigung. Weil allen klar wurde: Also Vorsicht, wenn Du mit einem Finger auf andere zeigst, zeigen andere auf Dich selbst. Insofern wird man auch lebensklüger. Uns heute kann ich Johannes Rau besser verstehen, als ich ihn damals verstanden habe.”
Schausten: „Demütiger?”
Wulff: „Und man wird auch ein bisschen demütiger. Man wird lebensklüger. Und man muss aus eigenen Fehlern lernen. Und gerade die Glaubwürdigkeit, die man als Bundespräsident braucht, die wird man nur zurückerlangen, wenn man auch im Umgang mit seinen eigenen Fehlern Lernfortschritte unter Beweis stellt. Darauf wird es jetzt ankommen, gerade auch bei Diskussionen mit jungen Leuten. Wir machen in diesem Jahr einen Jugendtag zur Stärkung der Demokratie. Oder bei anderen Aktivitäten. Dass man auch selber berichtet, wie schnell man sozusagen in der Frage sein kann, privat, beruflich, politisch Verantwortung anscheinend hat. Dass man hier einfach sich selbst, vor sich selbst immer wieder Rechenschaft ablegen muss.”
Deppendorf: „Haben Sie, zusammengefasst noch mal gefragt, nicht durch Ihr Verhalten in den letzten Wochen das Amt des Bundespräsidenten schwer beschädigt?”
Wulff: „Das Amt des Bundespräsidenten ist aus vielerlei Gründen in Deutschland schwieriger geworden. Und durch diese Art von Umgang mit den Dingen hat man dem Amt sicher nicht gedient. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich durch eine ganze Reihe von Aktivitäten in der Amtszeit das Amt des Bundespräsidenten wieder gestärkt habe. Dass es eine hohe Anerkennung genießt. Ich bin geradezu überrascht, wie stark die Bürgerinnen und Bürger es von mir selbst auch erklärt, erläutert bekommen wollen und letztlich darauf setzen, dass ich Bundespräsident bleibe. Denn ich nehme meine Verantwortung wahr. Ich habe mich bewusst dafür entschieden und ich habe ein nachhaltiges Interesse an unserem Land, es voran zu bringen. Und wir brauchen auch jetzt die Kraft, und wieder um Politik zu kümmern in diesem Jahr, wenn dieses Jahr jetzt beginnt. Denn es kommen schwierige Aufgaben auf uns zu. Und da braucht es eben auch einen Bundespräsidenten, der sich diesen Aufgaben zuwenden kann.”
Schausten: „Dann sind wir gespannt, was wir da hören. Können Sie Können Sie denn garantieren, dass nicht noch etwas anderes nachkommt in der Affäre, über die wir jetzt sprechen?”
Wulff: „Also bei 400 Fragen - und wenn gefragt wird, was es zu essen gab bei Ihrer ersten Hochzeit und wer Ihre zweite bezahlt hat und ob Sie den Unterhalt für Ihre Mutter gezahlt haben - und ich könnte jetzt 1000 Sachen mehr nennen - und wer die Kleider für Ihre Frau bezahlt hat, welche geliehen waren, welche sozusagen als geldwerter Vorteil versteuert werden - dann kann ich nur sagen: Ich geb Ihnen gern auf die 400 Fragen 400 Antworten. Da ist jetzt etwas, was einen dann innerlich auch nach solchen drei Wochen irgendwo frei macht, dass man sagt: Also jetzt ist wirklich alles von innen nach oben und umgekehrt gewendet. Und man muss sich dann auch fragen, ob nicht dann auch es irgendwann akzeptiert wird, dass auch ein Bundespräsident ein privates Leben haben darf.”
Schausten: „Heißt, dass Herr Christian Wulff ein Bundespräsident auf Bewährung vorerst bleibt?”
Wulff: „Die Begrifflichkeit finde ich völlig daneben. Weil wir diesen Begriff kennen, wenn gegen Gesetze verstoßen wurde. Ich habe weder jetzt im Amt als Bundespräsident gegen irgendein Gesetz verstoßen noch vorher. Es geht nicht um Rechtsverstöße, sondern es geht um die Frage von Transparenz, von Darlegung, von Erklärung. Dazu nutze ich auch diese Gelegenheit, um zu erklären, was ist und was war. Aber wie gesagt: Den Begriff der Bewährung halte ich für abwegig. Sondern ich bin jetzt schweren Herausforderungen ausgesetzt.
Aber man muss eben auch wissen, dass man nicht gleich bei der ersten Herausforderung wegläuft, sondern dass man sich der Aufgabe stellt. Und auch weiß, wem es in der Küche zu heiß ist, der darf nicht Koch werden wollen. Wie es Harry S. Truman gesagt hat. Und deswegen muss man offenkundig auch durch solche Bewährungsproben hindurch.”