Meinungsforscher
Datenanalyse deutet auf Wahlbetrug in Georgien hin
01.11.2024Eine Analyse der Daten der umstrittenen Parlamentswahl in Georgien deutet laut einem Meinungsforschungsinstitut und einer Wahlaufsichtsbehörde auf weit verbreiteten Wahlbetrug hin.
Das US-Institut Edison Research erklärte am Freitag, die Abweichungen zwischen seiner eigenen Wahlprognose und den offiziellen Ergebnissen könne "nicht durch normale Schwankungen erklärt" werden. Demnach war die Abweichung von den erwarteten Ergebnissen in den ländlichen Gebieten am stärksten.
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Eine Nachwahlbefragung des Instituts hatte einen Sieg des Oppositionsbündnissen vorhergesagt: Die Opposition erhielt darin 51,9 Prozent der Stimmen, die Regierungspartei Georgischer Traum kam auf 40,9 Prozent. Den offiziellen Ergebnissen der georgischen Wahlkommission zufolge erhielt die pro-russische Regierungspartei jedoch 53,9 Prozent der Stimmen, während das Oppositionsbündnis nur 37,7 Prozent erzielte. Edison Research zufolge deutet die Diskrepanz der Ergebnisse "auf eine Manipulation der Wahl auf lokaler Ebene" hin.
"Anzeichen von Betrug" zugunsten der Regierungspartei
Die internationale Wahlbeobachtungsplattform Europe Elects erklärte ihrerseits, die Analyse der von der Wahlkommission zur Verfügung gestellten Daten hätten "Anzeichen von Betrug" zugunsten der Regierungspartei ergeben. Unter anderem liege eine Anomalie vor, die auch bei Wahlen in Russland häufig zu beobachten sei, erklärte Europe Elects.
Es sei ein sicherer Schluss, dass "die georgischen Parlamentswahlen 2024 eine klare Verfälschung der Ergebnisse aufweisen, zusätzlich zu den Wahlverstößen, die von Beobachtern anderswo gemeldet wurden", erklärte die Plattform.
Nach der umstrittenen Wahl am vergangenen Wochenende hatte die Opposition dem Regierungslager vorgeworfen, ihr den Wahlsieg "gestohlen" zu haben, zehntausende Menschen protestierten gegen das offizielle Ergebnis. Auch internationale Beobachter stellten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl fest. Die Europäische Union forderte eine Untersuchung der Vorwürfe. Am Mittwoch hatte die georgische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wahlfälschung eingeleitet.
Neue Proteste angekündigt
Die pro-westliche Opposition und Staatspräsidentin Salome Surabischwili haben für Montagabend neue Proteste angekündigt. Die Opposition werde am Montagabend auf die Straße gehen und dabei einen "Aktionsplan" vorstellen, sagte Anna Dolidse vom Oppositionsbündnis Starkes Georgien laut lokalen Medien. Demonstriert werden soll auf dem Rustaweli Boulevard, der Hauptstraße von Tiflis (Tbilissi). Bei dem Aktionsplan gehe es darum, wie der Protest "gesetzeskonform, legal, friedlich, aber organisiert" weitergehen werde, sagte Dolidse. Die pro-westlichen Oppositionsbündnisse Einheit, Starkes Georgien und Koalition für Wandel kündigten die Kundgebung gemeinsam an. Die pro-westliche Partei Gacharia Für Georgien erklärte, daran teilzunehmen.
In den vergangenen Monaten gab es in Georgien immer wieder Massenproteste gegen umstrittene Gesetze der seit zwölf Jahren regierenden Partei Georgischer Traum, hinter der Ex-Premier Bidsina Iwanischwili steht. So hatte die Regierungsmehrheit ähnlich wie in Russland die Rechte von nicht-heterosexuellen Menschen eingeschränkt und Nichtregierungsorganisationen verpflichtet, sich als "ausländische Agenten" zu deklarieren. Kritiker sehe daran eine deutlichen Kurswechsel Richtung Annäherung an Russland. Brüssel setzte als Konsequenz den Prozess für einen EU-Beitritt Georgiens aus.