Münster

Der bizarre Abschiedsbrief des Amokfahrers

08.04.2018

Rückenschmerzen und kein Sex: Der 48-Jährige schickte Bekannten und Verwandten einen 92-seitigen Brief.

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© APA/AFP/dpa/STEPHAN R.
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Jens R. soll am Samstag mit einem Van in einen Gastgarten in der Altstadt von Münster gerast sein. Dabei wurden zwei Menschen getötet und etliche andere verletzt. Noch am Tatort schoss sich der 48-Jährige in den Kopf.

92 Seiten langer Abschiedsbrief

Jens R. galt als psychisch auffällig. Er war der Polizei bereits bekannt. Erst vor Kurzem soll er einen Selbstmordversuch hinter sich gehabt haben. Vor einigen Tagen schickte der gebürtige Sauerländer seinen Bekannten und Verwandten einen Abschiedsbrief.

Der „Bild“ soll das 92 Seiten lange Papier vorliegen. R. gibt darin überwiegend anderen die Schuld an seinem Leid. Vor allem seinen Eltern macht er schwere Vorwürfe. Er soll komplett isoliert und misshandelt worden sein. Sein „geisteskranker“ Vater, wie R. selbst schreibt, habe ihn immer beeinflusst. Daher soll er auch Verhaltensstörungen entwickelt haben.

Selbstmordgedanken mit 7

R. schreibt laut dem Bericht, dass er schon als Kind Selbstmordgedanken hatte. Bereits als 7-Jähriger habe er sich zum ersten Mal gewünscht, tot zu sein. Auch eine normale Beziehung zu Frauen habe er nicht aufbauen können. Durch die Misshandlungen seiner Eltern sei er impotent geworden. Sex hätte er nie haben können, weshalb er Angst hatte, dass man ihn für homosexuell halten könne. Später wurde er alkoholsüchtig, litt an Depressionen und Panikattacken.

Aber auch seinen Freunden werfe er vor, dass sie ihn bespitzelt hätten. Kunden des studierten Möbel-Designers hätten ihre Rechnungen nicht bezahlt. Auch das habe Schuld an seinen Problemen. Er litt jahrelang an Verfolgungswahn.

Polizei: Es gab keine Hinweise für Gefährdung anderer Personen

Eines wird aus den Zeilen deutlich. Jens R. sah die Schuld immer bei den anderen. Wollte er sich schließlich mit dieser grausamen Amok-Fahrt an der Welt rächen? "Aus dem Inhalt ergaben sich vage Hinweise auf suizidale Gedanken, aber keinerlei Anhaltspunkte für die Gefährdung anderer Personen", hieß es seitens der Polizei.
 

Weiteres Schreiben entdeckt?

In der Wohnung des 48-Jährigen im sächsischen Pirna sei außerdem ein älteres, 18-seitiges Schreiben entdeckt worden. Darin verarbeite der spätere Amokfahrer ebenfalls Kindheitserlebnisse und frühe, von ihm als demütigend empfundene Erfahrungen. Dazu zählten laut WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" gravierende Probleme mit seinen Eltern, Schuldkomplexe, nervliche Zerrüttung und wiederkehrende psychische Zusammenbrüche.

Die Polizei bestätigte den Fund des Schreibens nicht. Sie teilte aber mit, dass Polizisten wegen der Mail die Wohnungen des Mannes in Sachsen und Münster aufgesucht, den Mann aber nicht angetroffen hätten. Es sei nun wichtig, "ein möglichst umfassendes Bild über das Verhalten des Täters in den Vorwochen zu erhalten". So hofften die Ermittler auf eine Spur bei der Suche nach einem Motiv für die Tat.
 

Gasflaschen in Wohnung entdeckt

Bei der Amokfahrt waren am Samstagnachmittag insgesamt drei Menschen ums Leben gekommen, darunter der Fahrer, der sich nach der Tat erschoss. Etwa 20 Menschen wurden verletzt, drei Verletzte schweben weiter in Lebensgefahr.

In der Wohnung des Amokfahrers in Münster wurden mehrere Gasflaschen sowie Kanister mit Bioethanol und Benzin gefunden. Des Weiteren wurden eine Lagerhalle in der westfälischen Stadt und zwei Immobilien in Dresden und Pirna durchsucht.
 

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