Satireblatt wie gewohnt mit frechen Karikaturen auch in der deutschen Ausgabe.
Natürlich Merkel. Das französische Satireblatt "Charlie Hebdo", bekannt für frechen bis derben Humor, kommt nach Deutschland, und was liegt da näher, als die Bundeskanzlerin in einer Karikatur zu verewigen. Und so sitzt eine lächelnde Angela Merkel mit einem Exemplar der Satirezeitung auf einer Kloschüssel, dazu die Überschrift "Charlie Hebdo wirkt befreiend - jetzt auch in Deutsch".
Mit diesem Plakat werden die Blattmacher am Donnerstag für den Start der deutschen Ausgabe von "Charlie Hebdo" werben. Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss: Seit dem islamistischen Anschlag auf ihre Redaktion in Paris vor knapp zwei Jahren ist die Satirezeitung weltweit ein Symbol der Presse- und Meinungsfreiheit - wenn auch kein unumstrittenes.
"Charlie Hebdo" auf Deutsch anzubieten ist ein Wagnis. Die bissigen Karikaturen sind nicht jedermanns Geschmack. "Für uns ist das ein Experiment", sagt "Charlie Hebdo"-Chef Laurent Sourisseau alias Riss, der von Kalaschnikow-Kugeln an der Schulter verletzt wurde, als Islamisten am 7. Jänner 2015 beim Anschlag auf die Redaktion zwölf Menschen ermordeten. "Ich will den Deutschen zeigen, dass auch sie 'Charlie Hebdo' verstehen und darüber lachen können." In Deutschland hätten er und seine Kollegen eine "echte Neugierde" auf das Wochenblatt gespürt.
Auf diese Neugierde setzen die Karikaturisten auch, wenn sie mit einer Startauflage von 200.000 Exemplaren auf den deutschen Markt gehen. Für die deutsche "Charlie Hebdo"-Ausgabe werden vor allem Karikaturen und Texte des französischen Originals übersetzt, geplant sind aber auch eigene Inhalte und womöglich Kooperationen mit deutschen Zeichnern und Humoristen. Doch lässt sich der Humor von "Charlie Hebdo" treffend übersetzen?
Keine leichte Aufgabe, räumt die deutsche Chefredakteurin Minka Schneider ein, die von Paris aus ein Team von rund einem Dutzend Übersetzern, Grafikern und Korrektoren leitet und aus Sicherheitsgründen ein Pseudonym verwendet: "Manchmal sitzen wir länger als eine halbe Stunde an der Übersetzung von winzigen Formulierungen."
Vor allem aber spaltet "Charlie Hebdo" die Gemüter wie kaum eine andere Zeitung. Die einen lieben das Blatt für seinen respektlosen Humor, die anderen halten die Karikaturen für vulgär, geschmacklos, beleidigend, blasphemisch. Insbesondere die ausgesprochen religionskritische Haltung von "Charlie Hebdo" geht vielen zu weit.
Mit Mohammed-Karikaturen zog sich die Satirezeitung die Wut von Muslimen zu und wurde zum Anschlagsziel. Bis heute haben die bekanntesten Mitarbeiter Polizeischutz, die Redaktion arbeitet an einem geheimen und streng bewachten Ort.
"Nicht jeder wird 'Charlie Hebdo' mögen, wie auch in Frankreich nicht jeder 'Charlie Hebdo' mag", sagt Riss achselzuckend. Die Satirezeitung hat stets ihre Freiheit verteidigt zu provozieren, Tabus zu brechen, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten Missstände anzuprangern.
"Es sind die Situationen, die grotesk, absurd und ungerecht sind, nicht der Humor von 'Charlie Hebdo'", sagt Chefredakteurin Schneider. "'Charlie Hebdo' ist nicht auf der Suche nach Schenkelklopfern. Den Lesern soll das Lachen manchmal im Halse steckenbleiben."
Durch den Anschlag wurde "Charlie Hebdo" weltberühmt, unter dem Slogan "Ich bin Charlie" gab es eine beispiellose Welle der Solidarität, der Verkauf einer Sonderausgabe brachte Millionen ein. Doch die Berühmtheit ist auch eine Last.
"Im Ausland haben viele Menschen 'Charlie Hebdo' durch dieses dramatische Ereignis kennengelernt, dabei sind wir eine Zeitung, über die man lachen soll", sagt Riss. Die Zeitung werde oft auf den Anschlag und ihre Religionskritik reduziert.
"Charlie Hebdo ist nicht nur das", beteuert Riss. Was "Charlie Hebdo" wirklich ist, können deutschsprachige Leser ab Donnerstag selbst herausfinden.