Furcht vor Militanten soll Dienstag Thema im Berliner Kanzleramt sein.
In Deutschland wachsen wegen der türkischen Offensive in der nordsyrischen Region Afrin die Sorgen vor Gewaltaktionen militanter Kurden. Es gebe eine "deutliche Zuspitzung" im kurdisch-extremistischen Milieu, sagte Innen-Staatssekretär Stephan Mayer der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Anschlagsserie
Die Anschlagsserie auf türkische Einrichtungen, Bankfilialen sowie Büros von CDU und SPD hätten eine neue Dimension erreicht. Das Blatt berichtete, kommenden Dienstag solle die Lage im Kanzleramt erörtert werden.
Im Internet rechtfertigen militante Kurden fight4afrin.noblogs.org Anschläge, um damit gegen die türkische Offensive vorzugehen. In einem auf den vergangenen Mittwoch datierten Eintrag heißt es: "Sobald die erste türkische Fahne über Afrin weht, werden wir zu einer neuen Phase des Widerstandes übergehen." Nach Worten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist es seinen Soldaten am Sonntag gelungen, in Afrin einzurücken.
Ausschreitungen befürchtet
Deutsche Behörden befürchten nach Medienberichten, dass sich gewaltbereite Kurden und Extremisten aus der Antifa-Szene zusammentun könnten. So warnten nach einem "Spiegel"-Bericht Verfassungsschützer vor einem Schulterschluss beider Gruppen. "Vor allem junge Leute schließen sich den Extremisten an", sagte Staatssekretär Mayer. "Die Jugendorganisationen der kurdischen Extremisten konzentrierten ihre Aktionen stärker."
Die von Sicherheitskreisen befürchteten Ausschreitungen blieben am Samstag bei der hierzulande größten Feier zum kurdischen Neujahrsfest Newroz in Hannover aus. Rund 11.000 Menschen protestierten gegen die türkische Offensive in Afrin. "Es werden Kinder ermordet und jeder schaut zu, keiner hilft uns", sagte eine Demonstrantin Reuters-TV. Mehrmals stoppte die Polizei die beiden Aufzüge, weil Fotos des Chefs der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gezeigt wurden. Am Sonntag war eine weitere Kundgebung von Kurden in Berlin geplant. In Wien demonstrierten am Samstag etwa 600 Kurden, die sich Polizeiangaben zufolge der Anti-Rassismus-Demonstration in der Innenstadt angeschlossen hatten.
Mindestens 60 Anschläge
Die Behörden rechneten "bundesweit mit gewaltsamen Aktionen gegen türkische Einrichtungen und Interessen in Deutschland", zitierte der "Spiegel" ein Papier des Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrums, ein Zusammenschluss von 40 Bundes- und Landesbehörden. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, in den vergangenen zwei Monaten habe es 26 Attacken auf Moscheen gegeben, 18 davon stünden der türkischen Religionsbehörde Ditib nahe.
Nach dem Bericht der FAS sind seit Beginn der Afrin-Offensive mindestens 60 Anschläge von radikalen Unterstützern der Kurden registriert worden. Am Wochenanfang hatte die türkische Regierung den deutschen Botschafter ins Außenministerium und kritisiert, Deutschland tue zu wenig, um die Angriffe aufzuklären. Nach den Berichten wird aber auch davor gewarnt, die Anschläge auf Moscheen und türkische Einrichtungen vorschnell Kurden zuzuschreiben. Bisher werde "nicht ausgeschlossen, dass auch rechtsmotivierte Täter unter Vortäuschung einer anderen Motivation" unterwegs seien, zitierte die SZ das Bundeskriminalamt.