Vor Bundestagswahl

Die Lehren des AfD-Parteitags

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Sechs Wochen vor der Bundestagswahl hat die AfD auf ihrem zweitägigen Parteitag in Riesa nicht nur Parteichefin Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin gekürt, sondern auch ihr stramm rechtes Profil geschärft. 

Damit dürfte sich die AfD auf absehbare Zeit weiter davon entfernt haben, für andere Parteien koalitionsfähig zu sein. Parteiintern konnte die jahrelang notorisch zerstrittene Rechtsaußen-Partei aber ein Signal der Geschlossenheit senden - nur bei einem Thema gab es Streit.

Geschlossen hinter "Frontfrau" Weidel

Die Kür Weidels zur ersten Kanzlerkandidatin der Parteigeschichte fand per Akklamation statt - "ausnahmsweise", wie es hieß. Gegenstimmen gab es keine, Gegenkandidaten auch nicht, dafür langen Applaus. Stand Weidel noch nach dem skandalträchtigen Europawahlkampf im vergangenen Jahr in der Kritik, so steht sie nun unangefochten an der Spitze der Partei.

Großen Applaus bekam die "Frontfrau" der AfD - diesen Begriff wählte Co-Parteichef Tino Chrupalla - dann auch für ihre Rede. Darin kündigte sie einen radikalen Politikwechsel in den ersten 100 Tagen einer AfD-Regierung an. Weidel schien gerade mit ihrer rigorosen Wortwahl den Nerv der Partei zu treffen. Der Abriss von Windanlagen, die Entlassung von Gender-Professoren, "Remigration" von Ausländern: Keine Ankündigung - so entstand der Eindruck - konnte radikal genug sein.

Mit radikalem Programm in die heiße Wahlkampf-Phase

Die Parteimitglieder verschärften an vielen Stellen das von der Parteiführung vorgeschlagene Wahlprogramm für den 23. Februar. So wurde der Begriff "Remigration" ins Programm aufgenommen - in der ursprünglichen Version der Parteiführung fehlte er noch. Das Familienbild wurde explizit definiert als Einheit von Vater, Mutter und Kind. Durchgefallen ist ein Antrag, der Russland klar für den Angriff auf die Ukraine kritisiert hätte.

Außerdem strichen die Delegierten den Passus, dass anerkannte Asylbewerber nach zehn Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten sollen. Ebenfalls ersatzlos gestrichen wurde die Aussage, dass die AfD die Aufnahme europäischer Arbeitskräfte im Zuge der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit begrüßt.

Ansonsten sieht das Wahlprogramm eine grundlegende Rückabwicklung der deutschen Politik der vergangene Jahrzehnte vor - etwa den Ausstieg aus dem Euro und der EU, die Annäherung an Russland und die Abkehr von den Pariser Klimazielen.

Konfrontationskurs gegen alle etablierten Parteien

Je radikaler die Partei programmatisch und rhetorisch auftritt, desto niedriger dürften die Chancen sein, eines Tages doch für andere Parteien koalitionsfähig zu werden. Derzeit schließen alle Parteien Regierungsbündnisse mit der AfD aus. Unter anderem Weidel bezeichnete diese "Brandmauer" zuletzt wiederholt als undemokratisch. Schritte in Richtung anderer Parteien machte in Riesa aber niemand.

Im Gegenteil: Ziele von verbalen Angriffen waren nicht nur die Ampel-Parteien und grüne oder linke Ideologien - zu einer Art Hauptgegner wurde auch die CDU erkoren. Weidel bezeichnete sie als "Betrügerpartei", die sich etwa in der Migrationspolitik AfD-Forderungen zu eigen mache. Auch mit Ex-CDU-Kanzlerin Angela Merkel rechnete Weidel ab. Verteilt wurden Flugblätter, auf denen die Forderungen der AfD mit angeblichen CDU-Positionen gegenübergestellt werden - von Parteien des linken Spektrum war dort noch nicht mal die Rede.

Einigkeit und ambitionierte Ziele

Trotzdem gab die Parteiführung klar das Ziel aus, die nächste Bundesregierung anzuführen. "Sie ist die zukünftige Kanzlerin", proklamierte Chrupalla bei Weidels Kür. Die aktuellen Umfragewerte von rund 20 Prozent müsse die Partei hinter sich lassen "und weiter klettern".

Anders als bei AfD-Parteitagen jahrelang üblich, gab es in Riesa kaum große Streitthemen. Nicht nur die Wahl Weidels erfolgte einmütig, auch die lange Debatte über das Wahlprogramm verlief für AfD-Verhältnisse überwiegend gesittet. Streitigkeiten beschränkten sich überwiegend auf Formulierungen, nicht aber auf Inhalte.

Streitpotenzial bei Frage nach Jugendorganisation

Ein Thema erhitzte dann aber doch die Gemüter: die Pläne der Parteispitze, eine neue Jugendorganisation zu gründen und diese organisatorisch eng an die Bundespartei anzugliedern. Die bisherige Jugendorganisation Junge Alternative (JA) wird als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Zwar bekam die Neugründung mit 72 Prozent eine klare Mehrheit, doch gab es darüber im Saal die einzige hitzige Debatte des Wochenendes.

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