Die belgischen Behörden fahnden nach einem dritten Attentäter.
Am Tag nach den Anschlägen von Brüssel jagen die belgischen Fahnder einen Mann mit Hut und weißer Jacker - unscharf zu erkennen auf einem Fahndungsfoto vom Brüsseler Flughafen. Und während die Ermittler unter Hochdruck stehen, versuchen die Einwohner der belgischen Hauptstadt die Rückkehr in den Alltag. Sie schwanken zwischen Trauer und der Entschlossenheit, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Staatsanwalt Frederic Van Leeuw fasst am Mittag die Fakten zusammen: Die beiden Brüder El Bakraoui sind als Selbstmordattentäter identifiziert, Ibrahim sprengte sich am Flughafen in die Luft, Khalid an der U-Bahn-Station Maelbeek im EU-Viertel. Wer der zweite Selbstmordattentäter vom Flughafen ist, ist zunächst unklar.
Ist es Laachraoui?
Von beiden Flughafenattentätern und einem dritten Mann gibt es ein gemeinsames Fahndungsfoto. Darauf trägt der Verdächtige eine helle Jacke und einen Hut. "Der dritte Mann ist auf der Flucht", führt Van Leeuw aus. "Er hat seine Tasche mit der größten Bombe zurückgelassen." Diese wurde später entschärft.
Ob es sich bei dem dritten Mann um den seit Tagen gesuchten Najim Laachraoui handelt, bleibt zunächst offen. Ein wichtiger Zeuge ist der Taxifahrer, der alle drei morgens zum Flughafen brachte und sie dann auf dem Fahndungsfoto wiedererkannte.
Verbindung zu Paris-Anschlägen
Laachraoui wurde bisher verdächtigt, an den Pariser November-Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Seine Fingerabdrücke wurden in Wohnungen gefunden, die von den Paris-Attentätern genutzt wurden. Seine DNA-Spuren fanden sich außerdem auf Sprengstoff, der an mehreren Stellen in Paris verwendet wurde.
Nicht zuletzt war Laachraoui im September unter falschem Namen mit dem mittlerweile gefassten mutmaßlichen Paris-Attentäter Salah Abdeslam in einem Auto an der österreichisch-ungarischen Grenze kontrolliert worden. Am Vormittag melden die belgischen Medien seine Festnahme - um diese Meldung eine Stunde später wieder als voreilig zurückzuziehen.
Zurück zur Normalität
Doch all das versuchen viele Belgier am Mittwoch von sich zu schieben. "Das Leben geht weiter. Also los!", ruft ein U-Bahn-Fahrer am Morgen noch, dann schlägt er seine Tür zu und startet die Bahn. Brüssel erwacht wieder zaghaft zum Leben. Die U-Bahnen nehmen den Betrieb wieder auf, an der getroffenen Haltestelle Maelbeek sind Pendelbusse im Einsatz.
"Wo fährt die hier hin?" Passagiere studieren die Anzeigetafeln, steigen in die Bahn, fragen nach der richtigen Richtung. Alles wie immer? "Ein bisschen Angst" habe sie schon, "vor allem mit zwei kleinen Brüdern", sagt die 18-jährige Dominique Salazar, die gerade ihre drei und sechs Jahre alten Geschwister wegbringt. "Aber wir können ja auch nicht hier weg."
"Ich realisiere noch gar nicht so richtig, was passiert ist", sagt der 43-jährige Pierre Pardon, der gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. "Das ist vielleicht besser so." Und die 40-jährige Sekretärin Valerie will um keinen Preis "in Paranoia verfallen". Schließlich gebe es genügend Sicherheitskräfte, die sich kümmerten - und einen Berg Arbeit auf ihrem Schreibtisch, weshalb sie nicht einfach eine Auszeit nehmen könne.
Gedenkort
Im Zentrum von Brüssel ist der Place de la Bourse zum zentralen Gedenkort geworden. "Brüssel, ich liebe Dich" hat jemand mit Kreide auf den Boden geschrieben, an einer anderen Stelle steht: "Christen + Muslime + Juden = Menschlichkeit." Zwischen Kerzen und Blumen liegt ein brauner Teddy mit einem Herz in den belgischen Nationalfarben auf der Brust. "Vereint gegen den Hass!" steht auf einem wehenden roten Transparent.
Viele Menschen weinen, beten, umarmen sich. Ein seltener einender Anblick in einem Land, das von tiefen Gräben zwischen der französischen und der flämischen Gemeinde durchzogen ist. Am Dienstagabend hatte sich Regierungschef Charles Michel zu dem Platz begeben, auch der luxemburgische EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kam, sichtlich bewegt. "Heute bin ich Belgier", sagte er.