Seuchen-Alarm auf Flüchtlingsschiff
Die Schande Europas: EU streitet um 134 Flüchtlinge
25.08.2018Die 134 Migranten auf der „Diciotti“ sind im Hungerstreik. Jetzt Angst vor Seuchen.
Die Lage auf dem Schiff der italienischen Küstenwache im Hafen von Catania/Sizilien ist katastrophal: Die Flüchtlinge liegen dicht an dicht an Bord der „Diciotti“. Für die Flüchtlinge aus Afrika gibt es nur zwei Bäder. Auch traten die Migranten in den Hungerstreik.
Ansteckend
Nun ist an Bord auch noch Tuberkulose ausgebrochen: Die Gesundheitsbehörde hat den sofortigen Ausstieg von 16 Migranten an Bord des Rettungsschiffs angeordnet, 134 müssen weiter an Bord bleiben. Drei Männer leiden unter Tuberkulose, weitere zwei an Lungenentzündung. Der Einsatz der Ärzte war vom Kapitän gefordert worden. Er hatte auf den Ausstieg der Migranten gedrängt, da die Lage an Bord „extrem kritisch“ sei.
Blockade
Die „Diciotti“ liegt seit Montagabend am Pier von Catania. Die Migranten dürfen aber nicht von Bord: „So lange nicht“, beharrt der italienische Innenminister Matteo Salvini, „bis eine europäische Lösung für die Flüchtlinge gefunden ist.“ Die gibt es aber nicht. Brüssel lehnt ab. Auch Österreichs Abgesandter stimmte am Freitag dagegen .
Italiens Regierung warf der EU danach „Heuchelei“ vor. Vizepremier Luigi Di Maio drohte sogar mit einem Stopp der Zahlungen, sollte es keine Einigung auf eine Übernahme der Migranten geben. Brüssel konterte: „Drohungen führen zu nichts.“
Italiens Justiz ermittelt gegen Innenminister Salvini
Die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Agrigent hat Ermittlungen gegen Italiens Innenminister Matteo Salvini in Zusammenhang mit den Migranten, die sich seit Tagen an Bord des Schiffes „Diciotti“ in Catania aufhalten, eingeleitet. Der Vorwurf lautet: Freiheitsberaubung. „Ich erwarte mir, dass die Staatsanwälte gegen Schlepper nicht gegen den Innenminister ermitteln“, so Salvini, der ankündigte, dass die rund 134 Flüchtlinge in den kommenden Stunden an Land gehen werden.
Vilimsky: "Verständnis für die harte Haltung Italiens"
ÖSTERREICH: Italien lässt die Flüchtlinge nicht von Bord des Rettungsschiffes. Richtig?
Harald Vilimsky: „Ich habe großes Verständnis für die harte Haltung von Italiens Innenminister Matteo Salvini. Weil es nicht sein kann, dass eine Frau Merkel und namenhafte Politiker in Brüssel zuerst Einladungen aussprechen an Arabien und Afrika, nach Europa zu kommen, und dann andere dafür die Suppe auslöffeln sollen. So kann es nicht sein. Wenn die Italiener sagen, ihr Boot ist voll, muss das in Europa akzeptiert werden.
ÖSTERREICH: Hier geht es um Menschenleben ...
Vilimsky: „Die Menschen sind ja freiwillig nach Libyen gegangen, um von dort ihre gefährliche Reise über das Mittelmeer anzutreten. Es liegt somit kein akuter Asylgrund vor. Auch ist das Problem ein anderes: Heute sind es 100 oder 200 Leute, die man hereinlässt. Am nächsten Tag sind es dann Tausende. Das, was die Australier mit „no way“ betitelt haben, sollte auch in Europa verankert werden.
ÖSTERREICH: Was werfen Sie den Flüchtlingen vor?
Vilimsky: Da geht es nicht um Schutz nach der Genfer Konvention, sondern um eine Flucht in ein besseres Leben. Das kann ich niemandem verwehren, aber es muss Regeln geben.
Karas: "Europa will keine gemeinsame Lösung"
ÖSTERREICH: Die EU konnte sich bisher zu keiner Lösung für die Flüchtlinge auf der „Diciotti“ durchringen. Selbst Österreich stimmte dagegen.
Othmar Karas: Das ist eine politisch und menschlich sehr traurige und beklemmende Situation. Ein neuerlicher Beweis dafür, dass die Mitgliedstaaten der EU nicht fähig sind zu einer gemeinsamen Lösung. Sie haben auch nicht den politischen Willen, eine gemeinsame Migrationspolitik zu entwickeln. Sie sind auch nicht willens, einen europäischen Solidaritätsmechanismus in der Flüchtlingsfrage zu schaffen. Daher wird der Druck auf den österreichischen Migrationsgipfel am 20. September auch immer größer. Dieser Gipfel kommt aber für die Flüchtlinge auf der „Diciotti“ deutlich zu spät.
ÖSTERREICH: Woran scheitert eine gemeinsame Lösung?
Karas: Was mich am meisten bedrückt, ist die Tatsache, dass parteipolitische und innenpolitische Taktik höher gewertet wird als Menschenleben. Ohne eine gemeinsame europäische Lösung ist diese Herausforderung einfach nicht zu bewältigen.