Die Szenarien für Italien nach der Wahl
25.02.2013
Italien wählt. Ob der zweitägige Urnengang für klare politische Verhältnisse sorgt, steht noch nicht fest. Mehrere Szenarien sind denkbar - mit unterschiedlichen Folgen für das Land und den Euroraum:
Fall 1: Das Mitte-Links-Bündnis um Pier Luigi Bersani setzt sich durch:
Ein Sieg Bersanis gilt als günstigster Fall, von den Aktienmärkten mit einem Kursfeuerwerk bejubelt. Drastische Reformen werden von dem Chef der sozialdemokratisch orientierten PD jedoch nicht erwartet. Bersani werde "die Reformagenda des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Monti mit mehr Rücksicht auf den Sozialstaat" fortsetzen, meinen Ökonomen der Allianz. Jürgen Krämer, Chefvolkswirt der deutschen Commerzbank, formuliert es härter: "Bersani hat im Wahlkampf keine Vision entwickelt, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes zu lösen." Nach Einschätzung von Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel steht der PD-Chef zwar eher für eine Fortsetzung des Reformkurses als der umstrittene Ex-Ministerpräsident Berlusconi. "Eine Garantie gibt es aber nicht."
Fall 2: Hängepartie um die Regierungsbildung bei einem Patt:
Sollte in Rom keine regierungsfähige Mehrheit zustande kommen, "dann sind Turbulenzen zu erwarten, wie wir sie vor zwei Jahren bereits hatten", sagt Lüder Gerken, Direktor des Centrums für Europäische Politik in Freiburg. Er befürchtet massive Reaktionen der Finanzmärkte. Eine Blockade sei genauso schlecht wie eine Rückkehr von Ex-Premier Berlusconi. "In beiden Fällen wären die dringend notwendigen Reformen nicht möglich." Das hoch verschuldete Land steckt in einer tiefen Rezession mit schmerzhaft hoher Jugendarbeitslosigkeit.
Fall 3: "Große Koalition" oder Technokraten-Kabinett:
Nicht auszuschließen ist, dass sich die Parteien bei unklaren Machtverhältnisse zu einer "Großen Koalition" von Mitte-Links bis Mitte-Rechts zusammenraufen, meinen Beobachter. Eine andere Möglichkeit: Eine erneute Technokraten-Regierung, möglicherweise erneut unter Montis Führung. Allen diesen Modellen sagen Ökonomen von JP Morgan allerdings nur eine geringe Halbwertzeit voraus. Neuwahlen im Laufe des Jahres seien sehr wahrscheinlich. Das dürfte weder den Finanzmärkten noch der Politik in Europa gut gefallen.
Fall 4: Berlusconis Bündnis gewinnt die Wahl:
Kursstürze auf den Aktienmärkten und ein Wiederaufflammen der Schuldenkrise könnten die Folge sein. "Das ist das Worst-Case-Szenario. Berlusconis Wahlkampfversprechen, die Steuern zu senken, könnte die Haushaltskonsolidierung in Italien gefährden", sagt Postbank-Chefvolkswirt Bargel. "Die erste Reaktion der Märkte dürfte negativ auch für andere Euro-Schuldenstaaten sein." Italien und andere Krisenländer müssten zunächst höhere Zinsen zahlen, um sich am Kapitalmarkt frisches Geld zu besorgen. Erst später würden die Investoren zwischen den einzelnen Staaten differenzieren.
Besonders drastisch drückt es Volkswirt Krämer aus: Eine Wiederwahl Berlusconis "wäre für die Anleger ein Horror-Szenario, die Staatsschuldenkrise würde wieder hochkochen". Die Experten der Allianz warnen: "Italien sollte das wiedergewonnene Vertrauen nicht durch starke antieuropäische Kräfte in der Politik und eine Abkehr von dem eingeleiteten Reformweg verspielen."