Nach dem Briten-Austritt könnte es nun zum Dominoeffekt kommen.
Nach dem Votum der Briten für einen EU-Austritt ihres Landes fürchten viele in Europa einen Dominoeffekt. Wie sieht es in anderen Staaten aus? Ein Überblick:
ÖSTERREICH:
Die FPÖ will die weitere Entwicklung genau beobachten, bevor sie sich für ein EU-Referendum auch in Österreich einsetzt. "Die Union muss sehr rasch reagieren. Wenn nicht innerhalb eines Jahres die notwendigen Weichenstellungen gesetzt werden, dann ist das Projekt stark geschädigt", sagte der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer. Es gab erst zwei Volksabstimmungen in Österreich - zur Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf und zum EU-Beitritt. Das Ergebnis ist bindend. Die Initiative dazu muss vom Parlament ausgehen. Es genügt ein Drittel der Stimmen. 33 Prozent ist auch das Ziel der FPÖ bei der nächsten, für 2018 geplanten Wahl.
FRANKREICH:
Die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen, fordert seit langem ein Referendum über den von ihr gewünschten Austritt Frankreichs aus der EU. Allerdings gibt es eine klare Hürde in der Verfassung: Es liegt allein in der Entscheidung des Staatspräsidenten, eine direkte Volksbefragung anzusetzen.
NIEDERLANDE:
Eine Mehrheit der Niederländer wäre nach Umfragen für eine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft. Doch das ist nach heutiger Gesetzeslage unmöglich. Es gibt nur das Instrument eines "beratenden" Referendums, Volksabstimmungen dürfen nur über noch nicht ratifizierte Verträge gehalten werden. Dennoch forderte der Chef der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit, Geert Wilders, nach dem Brexit-Referendum auch für sein Land eine Abstimmung. "Bye bye Brüssel", jubelte er. "Und die Niederlande werden die Nächsten sein!"
UNGARN:
Ein Referendum über einen EU-Austritt ist in Ungarn nicht grundsätzlich unmöglich, derzeit aber eher unwahrscheinlich. Trotz seiner Konflikte mit Brüssel hatte der rechtskonservative Ministerpräsident Viktor Orban zuletzt mit Anzeigen in britischen Zeitungen für einen Verbleib des Vereinigten Königreiches in der EU geworben. Auch die rechtsextreme Partei Jobbik hat inzwischen ihre Forderung nach einem EU-Austritt Ungarns relativiert. Der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona sagte, diese Frage sei momentan nicht aktuell, da sich die EU ohnehin binnen fünf bis zehn Jahren verändern werde. Ein anderer Jobbik-Politiker stellte in Aussicht, sich für eine Neuverhandlung des EU-Beitrittsvertrags einzusetzen und für dieses Begehren eventuell in einem Referendum Unterstützung zu suchen.
POLEN:
Während die nationalkonservative Warschauer Regierung betont, sie werde keinesfalls dem Vorbild in Großbritannien folgen, haben verschiedene rechtspopulistische und nationalistische Gruppen einen "Pol-Exit" verlangt. So ist der rechtsnationale Europaabgeordnete Janusz Korwin-Mikke von der Partei Korwin seit langem der Meinung, die EU müsse aufgelöst werden. Den Einzug ins Warschauer Parlament verfehlte er allerdings im vergangenen Jahr. Angesichts der hohen Zustimmung, die die EU-Zugehörigkeit in Polen seit Jahren genießt, dürfte ein Referendum ohnehin zum Scheitern verurteilt sein. Ein landesweites Referendum kann in Polen unter anderem dann durchgesetzt werden, wenn die Antragsteller 500.000 Unterschriften sammeln.
ITALIEN:
Ein Referendum über einen "Ital-Exit" ist rechtlich quasi unmöglich. Denn die Verfassung verbietet solche Abstimmungen mit internationalem Bezug. Gleichwohl haben Rechtspopulisten wie Matteo Salvini von der Lega Nord das Thema für sich entdeckt. Er fährt zweigleisig: Einerseits will er Unterschriften für eine Gesetzesänderung sammeln, um den Italienern Abstimmungen dieser Art zu ermöglichen. Das ist bei den Mehrheitsverhältnissen in Italien aber schwierig. Außerdem hat er das von Regierungschef Matteo Renzi für den Herbst angekündigte Verfassungsreferendum im Blick, das über dessen politische Zukunft entscheiden dürfte. Salvini spricht schon von einem "Renxit", einem Ende der Ära Renzi, das dort zur Wahl stehe.
DÄNEMARK:
Die Rechtspopulisten fordern eine Volksabstimmung zur EU auch in Dänemark. Allerdings will die Dansk Folkeparti erst abwarten, wie der Brexit verläuft. "Wir müssen den präzisen Inhalt des Abkommens kennen. Deshalb können wir nicht sofort eine Abstimmung bekommen. Aber ich finde, wir sollten darauf hinarbeiten", sagt DF-Chef Kristian Thulesen Dahl. Sieben von neun Parteien im dänischen Parlament sind allerdings gegen einen "Denxit", darunter die Regierungspartei Venstre. Zu einem Referendum kommt es nur, wenn eine größere Gruppe im Parlament eine solche Abstimmung unterstützt.
SCHWEDEN:
Die rechten Schwedendemokraten wünschen sich schon lange eine Volksabstimmung zur schwedischen EU-Mitgliedschaft. Laut deren Chef Jimmie Åkesson hat das Votum für den Brexit dieser Forderung mehr Nachdruck verliehen. Auch die Linken fordern weniger Macht für die EU, wollen aber mit dem Ruf nach einem Referendum warten, bis klar ist, welche Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit der EU Großbritannien aushandeln kann. Schweden hat in Referenden unter anderem über die EU-Mitgliedschaft (Ja) und die Einführung des Euro (Nein) abgestimmt.
TSCHECHIEN:
Das Brexit-Referendum hat eine Debatte über einen möglichen "Czexit", einen tschechischen EU-Austritt, entfacht. Beobachter befürchten, dass das Thema den Parlamentswahlkampf 2017 dominieren könnte. Als schärfster EU-Kritiker gilt Ex-Präsident Vaclav Klaus, der Brüssel nach dem Brexit-Votum als ein bürokratisches "Monster" brandmarkte. Anfang Mai scheiterte indes ein Antrag der rechtspopulistischen Morgenröte (USVIT), über ein Referendum im Abgeordnetenhaus zu beraten. Um den "Czexit"-Anhängern besser entgegentreten zu können, fordert der proeuropäische Regierungschef Bohuslav Sobotka: "Europa muss tatkräftiger, flexibler, weniger bürokratisch und viel aufmerksamer für die natürlichen Unterschiede zwischen den 27 Staaten werden."
SLOWAKEI:
In dem Euro-Land hat die rechtsextreme Volkspartei Unsere Slowakei (LSNS) am Montag eine Unterschriftensammlung für die Ausrufung eines Referendums mit dem Ziel eines EU-Austritts gestartet. Die am Rande der Legalität agierende Gruppe hatte bei den Parlamentswahlen am 5. März überraschend den Einzug ins Parlament in Bratislava geschafft und ist dort die einzige Partei, die die EU-Mitgliedschaft der Slowakei ablehnt. Grundsätzlich erlaubt die slowakische Verfassung keine Referenden über internationale Verträge. Die wenigen EU-Gegner argumentieren aber damit, dass auch der Beitritt zur EU durch eine Volksabstimmung abgesegnet wurde. Im Jahr 2003 stimmten 92,46 der Slowaken für den Beitritt, das ist ein bis heute in keinem anderen Land erreichter Rekord. Umfragen belegten zuletzt zwar einen Rückgang der Sympathien für die EU, die Zustimmung zur Union ist aber weiterhin höher als in den meisten anderen Mitgliedsländern.
SPANIEN und PORTUGAL:
In den Staaten auf der Iberischen Halbinsel spielen rechtspopulistische Gruppen praktisch keine Rolle. Forderungen nach einer Abhaltung von EU-Referenden werden nicht erhoben. Allein in Katalonien gibt es das Verlangen nach einer Volksabstimmung. Dort wollen die Separatisten die Region aber nur von Spanien abspalten, jedoch als unabhängiger Staat in der EU bleiben.
GRIECHENLAND/ZYPERN:
In beiden Ländern gibt es keine Forderungen nach einer ähnlichen Abstimmung wie in Großbritannien.
BALTIKUM:
In Estland, Lettland und Litauen findet sich mehr Begeisterung für die EU als in vielen westlichen Mitgliedstaaten. Verschiedene Krisen geben EU-Skeptikern und Rechtspopulisten aber Auftrieb. Einzelne Oppositionsparteien und Einwanderungsgegner fordern etwa Referenden über die Flüchtlingspolitik und die Aufnahme von Migranten. Die Regierungen in Tallinn, Riga und Vilnius beugen sich dem aber bisher nicht.