Griechenland
Drei-Parteien-Regierung in Athen
18.06.2012
Konservative, Sozialisten und die demokratischen Linken wollen regieren.
Zwei Tage nach der Parlamentswahl steuern die gemäßigten griechischen Parteien auf eine Koalitionsregierung zu. Es werde in den kommenden Stunden oder Tagen eine Regierung geben, sagte der Chef der Demokratischen Linken, Kouvelis, nach einem Treffen mit Sozialistenchef Venizelos in Athen. Die DIMAR und die Sozialisten der PASOK suchen das Bündnis mit der konservativen Neuen Demokratie. Alle drei Parteien sprechen sich für Reformen aus und streiten vehement für den Verbleib Griechenlands im Euroland. Sie hätten im Parlament eine bequeme Mehrheit von 179 der 300 Abgeordneten.
Die Parteien im Überblick:
Nea Dimokratia (ND) ist mit 129 Abgeordneten die stärkste Kraft. Die Konservative Partei wird von Antonis Samaras geführt. Die ND hatte Griechenland 1981 unter Konstantin Karamanlis in die Europäische Gemeinschaft geführt und spricht sich für den Verbleib des Landes in der Eurozone aus. Samaras hat den Gläubigern des Landes versprochen, am Sparprogramm für Griechenland festzuhalten. Dies bestätigte er am Montag. Er wünscht sich eine "Regierung der Nationalen Rettung". Daran könnten sich alle Parteien beteiligen, die für den Verbleib in der Eurozone und die Fortsetzung des Sparkurses sind. Die ND setzt sich gleichzeitig für eine Lockerung des Sparprogramms ein.
Die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK) bekommt 33 Abgeordnete. Die Sozialisten unter ihrem Chef Evangelos Venizelos sind dafür, in der Eurozone zu bleiben, fordern aber eine Lockerung des Sparprogramms. Venizelos will eine Regierung auf breitem Fundament.
Die Demokratische Linke (DIMAR) unter Fotis Kouvelis mit 17 Abgeordneten setzt sich für den Verbleib in der Eurozone, aber auch für eine Revision des Sparprogramms ein.
Alle drei Parteien setzen sich vehement für den Verbleib Griechenlands im Euroland ein, wollen aber mehr Zeit für die Umsetzung der Sparmaßnahmen.
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14:33 Uhr: Deutsche Bank rechnet mit Euro-Austritt
Die Vermögensverwalter der Deutschen Bank stellen sich trotz des Wahlsiegs der Altparteien in Griechenland auf einen baldigen Austritt des Landes aus der Euro-Zone ein. "Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone ist ein sehr wahrscheinliches Szenario", so der Chef-Anlagestratege (CIO) der Vermögensverwaltungssparte DB Advisors, Georg Schuh.
13:42 Uhr: Opposition gibt sich kampfeslustig
Das Linksbündnis SYRIZA das bei den Wahlen zweitstärkste Kraft wurde, lehnt eine Zusammenarbeit mit den Konservativen und Sozialisten ab. SYRIZA-Chef Alexis Tsipras kündigte eine harte Opposition an. "Wir werden Gegner bleiben", sagte er nach einem Treffen mit Samaras:
(c) Reuters, Alexis Tsipras: Handshake mit Wahlsieger Antonis Samaras
12:49 Uhr: Griechische Parteien steuern Regierungskoalition an
Angaben, die Regierung werde bereits heute stehen, wurden von Fotis Kouvelis, dem Chef der Demokratischen Linken (DIMAR) relativiert. "Es wird eine Regierung geben, aber ich weiß nicht, ob sie noch heute Nacht gebildet wird", sagte der Parteichef der Demokratischen Linken, die mit 17 von 300 Sitzen im Parlament vertreten ist. Es könne noch bis zum Ende der Woche dauern.
12:34 Uhr: Faymann und Spindelegger für zeitliche Flexibilität
Wenn Griechenland alle Bedingungen einhalte, könne man auch über den Zeitplan diskutieren, so Faymann. Und auch Spindelegger sprach von einem eventuell größeren Rahmen für die Reformvorhaben.
12:01 Uhr: Athen will offenbar langen Aufschub beantragen
Der PASOK-Chef Evangelos Venizelos verlangt bereits seit Wochen von den Geldgebern einen Aufschub für die Umsetzung des Sparprogramms. Im Wahlkampf nannte er mehrfach das Zieldatum 2017. Nun schließen sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) diesem Vorschlag auch die Konservativen und die Demokratische Linke an. Die Sozialisten mahnten jedoch zur Geduld. "Noch haben wir keine Regierung", hieß es aus Parteikreisen. "Deswegen können wir nicht von einem genauen Programm sprechen."
11:10 Uhr: Fekter: "Griechenland braucht mehr Zeit"
Vertreter der österreichischen Regierung sprechen sich nach der Griechenland-Wahl für einen flexibleren Zeitplan für das Reformprogramm des angeschlagenen Staates aus. Finanzministerin Maria Fekter (V) betonte vor dem Ministerrat heute, dass zwar nicht an den Eckpunkten gerüttelt werden könne, allerdings beim zeitlichen Fahrplan für das Programm. Sie kritisiert außerdem, dass Griechenland bei Privatisierungsmaßnahmen bisher zu langsam gewesen sei. Eine dahingehende Offensive würde "Dynamik und Wettbewerb" bringen.
10:35 Uhr: Mehrheit im Parlament
Zusammen hätten Konservative, Sozialisten und die Demokratische Linke eine bequeme Mehrheit von 179 der 300 Abgeordneten. Griechische Medien gehen davon aus, dass die Koalitionsregierung praktisch steht.
(c) Reuters, DIMAR-Chef Kouvelis zeigt mit Venizelos (PASOK) Einigkeit.
10:24 Uhr: Der Parteichef der sozialistischen PASOK, Evangelos Venizelos, hat sich soeben "optimistisch" über eine baldige Bildung einer Regierung seiner Partei mit der Demokratischen Linken (DIMAR) unter der Führung der konservativen Neuen Demokratie (ND) gezeigt. "Griechenland muss und wird so bald wie möglich eine Regierung haben", so Venizelos.
(c) AP, Evangelos Venizelos
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Es war eine kurze Nacht für Antonis Samaras: Um 1.30 Uhr verließ der Wahlsieger die Parteizentrale seiner Nea Dimokratia, ironischerweise im Rotlichtviertel Athens. Um 8 Uhr morgens traf er dort bereits wieder zu Beratungen ein. Im fünfstöckigen Bürogebäude in der Syngrov-Straße war die Erleichterung unter den Mitarbeitern der Konservativen zu greifen. Samaras hatte sich am Sonntag schließlich mit 30 % (gegen die linke SYRIZA, die auf 27 % kam) überraschend klar durchgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt atmete auch das restliche Europa auf. Börsen und Euro gingen rauf – freilich nur kurz .
Zeit drängt: Nur bis 15. Juli sind Griechen zahlungsfähig
„Wir werden rasch eine neue Regierung bilden“, sagt Chrysostomos Bikatzik, Samaras Pressesprecher, zu ÖSTERREICH. Bereits heute soll die Regierung angelobt werden. Viel Zeit hat Samaras nicht. Das machte ihm am Montag auch Präsident Papoulias klar, als er ihn mit der Regierungsbildung beauftragte. Nur noch bis zum 15. Juli ist Griechenland zahlungsfähig. Bis Donnerstag – da tagen die EU-Finanzminister – muss die neue Regierung zeigen, dass sie zu echten Reformen bereit ist.
Die Nea Dimokratia braucht freilich zumindest einen Partner. Die PASOK-Partei – die Sozialdemokraten – ist erneut zu einer großen Koalition bereit und drückte gestern bereits aufs Tempo. Samaras erklärte gestern, dass er „eine Regierung des nationalen Konsenses“ wolle. Beide Parteien verfügen im neuen Parlament über 162 der 300 Sitze.
Immerhin forderte PASOK-Chef Evangelos Venizelos ja bereits am Wahlabend, die linke SYRIZA in die Regierung einzubinden. Das lehnt SYRIZA-Anführer Alexis Tsipras ab: „Wir bleiben in der Opposition.“
Die nächsten zwei Wochen sind entscheidend. Eine Abordnung der Troika (aus EU-Kommission, EZB und IWF) wird nach Athen reisen, sobald die Regierung steht. Sie bestimmt: heißt es Daumen rauf oder Daumen runter für die weitere Finanzhilfe. Samaras will mit der Troika über das Sparprogramm verhandeln und im Gegenzug rasche Reformen anbieten – wie die Privatisierung von Staatseigentum, darunter auch Strände.
Samaras muss jetzt Merkel niederringen
Der Konservative hatte die Griechen-Wahl zur Entscheidung zwischen Euro und Drachme hochstilisiert: Antonis Samaras setzte auf Angst und besiegte so den Links-Rebellen Alexis Tsipras.
Der 62-Jährige hatte 2009 die Parteiführung der Nea Dimokratia übernommen und gilt seitdem als Überlebenskünstler. Mit weniger als 20 % erhielten seine Konservativen bei der Wahl am 6. Mai das schlechteste Ergebnis der Geschichte. Aber Samaras hat einen Vorteil: Der bieder wirkende Politiker hat die Unterstützung der EU-Granden, da er für den griechischen Sparkurs steht.
Hier muss er freilich die Gratwanderung schaffen: er muss versuchen, die drastischen Sparauflagen zu lockern. Dabei wartet mit der bei den Griechen so verhassten deutschen Kanzlerin Angela Merkel ein anderes Kaliber als seine griechischen Wahlgegner.
Sein Ziel ist es wenigstens, die Mindestrenten und die Stütze für Familien anzuheben. Und so dem verzweifelten Volk ein wenig Hoffnung zu geben.