WHO: Hinweise, dass bisherige Zahlen "Ausmaß des Ausbruchs gewaltig unterbewerten"
Offiziell erfasst waren bis zum 11. August 1975 bestätigte und Verdachtsfälle, 1069 Menschen starben. Von dem Ausbruch sind in Guinea, Liberia und Sierra Leone vielfach sehr abgelegene Gebiete betroffen, in denen es kein effizientes Meldesystem gibt. Zudem stehen viele Menschen den Ärzten skeptisch gegenüber und vertrauen lieber traditionellen Heilern. Oft werden erkrankte Angehörige in den Häusern versteckt, um sie vor einem Transport zu Quarantänestationen zu bewahren - auch sie tauchen nicht in den offiziellen Listen auf.
Noch ist unklar, ob dies auch für Afrikas bevölkerungsreichstes Land Nigeria gelten könnte. Dort wurde inzwischen ein weiterer Ebola-Fall bestätigt: Ein Arzt habe sich mit dem Virus angesteckt, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu. Damit erhöht sich die Zahl der erfassten Infizierten im Land auf elf. Drei davon sind bereits gestorben. Von den acht Infizierten in Quarantäne sei aber mehr als die Hälfte auf dem Weg der Besserung, so Chukwu. Erwogen wird demnach, das experimentelle Ebola-Mittel "NanoSilver" einzusetzen, das von einem nigerianischen Wissenschafter entwickelt wurde.
Krankenschwester infizierte sechs Menschen
Derzeit stünden in Nigeria 169 Menschen wegen Ebola-Verdachts unter Beobachtung, 163 in Lagos und 6 in Enugu, hieß es weiter. Die Fälle in Enugu gehen demnach auf eine Krankenschwester zurück, die in Lagos aus der Quarantäne floh und in die gut 500 Kilometer östlich liegende Stadt reiste. Alle bestätigten und Verdachtsfälle gehen wiederum auf einen infizierten Berater der liberianischen Regierung zurück, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war.
Streik: 16.000 Ärzte entlassen
Präsident Goodluck Jonathan griff zu einer drastischen Maßnahme, um einem seit fast sieben Wochen dauernden Streik des medizinischen Personals Einhalt zu gebieten: Der Staatschef orderte die sofortige Entlassung von 16.000 Ärzten an. Dies gehe aus einer internen Mitteilung an das Gesundheitsministerium hervor, berichtete die Zeitung "Premium Times". Das Ministerium könne nun andere Mediziner für die Behandlung von Patienten einstellen, wurde der Sprecher Isiaka Yusuf zitiert.
Mit dem Ausstand will das medizinische Personal bessere Arbeitsbedingungen und höhere Gehälter einfordern. Der Streik hat jedoch die Bemühungen um eine Eindämmung des Virus beeinträchtigt. In Nigeria leben Schätzungen zufolge fast 170 Millionen Menschen.
Lage in Liberia "katastrophal"
Welche Folgen eine Ausbreitung von Ebola für Nigeria haben könnte, zeigt das Beispiel des viel kleineren Landes Liberia: Die Notfall-Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Liberia, Lindis Hurum, bezeichnete die Situation in der Hauptstadt Monrovia als "katastrophal". Es gebe Berichte, dass sich in den vergangenen Wochen mindestens 40 Mitarbeiter von Gesundheitseinrichtungen mit Ebola ansteckten. Die meisten Krankenhäuser der Stadt seien geschlossen, und es werde gemeldet, dass auf den Straßen und in Häusern Leichen liegen.
Dem Land droht zudem eine Lebensmittelknappheit. Das Nachbarland Elfenbeinküste hat den Schiffsverkehr aus betroffenen Ländern durch seine Gewässer verboten. Auch der Luftverkehr nimmt immer weiter ab. Die Gesellschaften Air France, British Airways, ASky und Arik haben ihre Flüge nach Monrovia bereits eingestellt. Die amerikanische Delta kündigte an, der letzte Flug der Gesellschaft starte am 27. August.
Um eine Ausbreitung von Ebola in den überfüllten Gefängnissen zu verhindern, ordnete das Justizministerium Liberias an, mehr als 100 Gefangene aus der Untersuchungshaft zu entlassen, denen kleinere Vergehen vorgeworfen wurden.
Quarantäne lässt Menschen hungern
Auch in Sierra Leone verschlimmert sich die Lage weiter. Da Menschen unter Ebola-Verdacht ihre Häuser 21 Tage nicht verlassen dürften, könnten sie weder ihre Felder bestellen noch einkaufen, teilte die Welthungerhilfe am Freitag mit. "Im Land sind die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen." Die USA forderten Angehörige von Mitarbeitern der US-Botschaft im Land auf, wegen der Ebola-Epidemie das Land zu verlassen. Es mangele an medizinischer Versorgung, teilte das US-Außenministerium mit.
Von Ebola war erstmals im März aus Guinea berichtet worden, erste Erkrankungen gab es in der Region aber wohl schon im Dezember. Das Virus hatte sich schnell nach Liberia und Sierra Leone ausgebreitet. Es handelt sich um die erste Ebola-Epidemie in Westafrika und den schlimmsten Ausbruch der Krankheit, der bisher registriert wurde.