Können eigene Flüchtlings-Städte die Einwanderungsproblematik lösen?
Eine Berliner Denkfabrik meint, die Lösung für die Flüchtlingsproblematik gefunden zu haben: Nach dem Vorbild von New Italy in Amerika sollen Flüchtlinge Bauland bekommen, um ihre eigenen Städte nachzubauen. Doch der Plan rund um Neu-Damaskus ist nicht unproblematisch.
Problematische Unterbringung
Die Unterbringung der vielen Flüchtlinge wird in ganz Europa immer schwieriger. Deswegen schlägt die Berliner Denkfabrik "European Democracy Lab" einen ungewöhnlichen Lösungsansatz vor: "Gebt den Flüchtlingen in Europa Bauland, sodass sie ihre Heimat hier nachbilden können", empfehlen die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, Direktorin der Denkwerkstatt, und der österreichische Schriftsteller Robert Menasse in einem Artikel der deutschen Ausgabe von "Le Monde diplomatique".
Man solle das "Geld für Integrations- und Sprachkurse, für Zäune und Grenzschutz, für Sicherheitsmaßnahmen oder Polizei" lieber anderwärtig investieren, nämlich in finanzielle Starthilfe und Bauland für Flüchtlinge. So würden sich die Neuankömmlinge um sich selbst kümmern und ihre eigenen Städte bauen.
Neu-Damaskus in Europa?
Laut Guérot und ihrem Kollegen soll genau dies die Lösung des Integrationsproblems sein, da sich die Flüchtlinge im Laufe der Zeit auf natürliche Art und Weise mit den Bewohnern mischen würden. So würden manche etwa Arbeit in Berlin finden, während Studenten günstige Wohnungen in Neu-Damaskus beziehen könnten.
"Drei Generationen später - so lange dauert es meistens - haben die Kindeskinder der ersten Generation Neuankömmlinge die Sprache der neuen Heimat gelernt, einfach weil es praktischer ist", erklären Guérot und ihr Kollege im Artikel.
Deutsche Städtegründungen in Amerika
Die Politikwissenschaftlerin verweist auch auf historische Beispiele, in der diese Art der Integration funktioniert habe: Viele Deutsche hätten im 18. Jahrhundert Städte wie New Hannover oder New Hamburg gegründet, als sie in die "Neue Welt" Amerika ausgewandert waren. Nur noch die Namen würden heute an ihren Ursprung erinnern.
"Die syrischen Ärztinnen sind wieder Ärztinnen, ohne eine deutsche Approbation zu benötigen, die kurdischen Lehrer sind wieder Lehrer", wird in dem Artikel beschrieben. Denn Flüchtlinge sollen nach der Idee der Denkfabrik auch "ihre Schulen, ihre Theater, ihre Krankenhäuser, ihre Radiostationen und ihre Zeitungen" betreiben.
Unbeantwortete Fragen
Doch der Lösungsansatz entpuppt sich doch als problematisch: Denn wer haftet, wenn bei Operationen etwas schiefgeht, wenn Ärzte ohne deutsche Zulassung Behandlungen durchführen? Und wie könnte man verhindern, dass sich unter die Lehrer keine Hassprediger mischen?
Darüber hinaus befürchten Kritiker, dass durch das Konzept der Denkfabrik eine Parallelgesellschaft entstehen könnte. Die Umsetzung eines solchen Projekts sei ohne Eingriffe des Staats nur schwer vorstellbar. Guérot gibt zu, dass sie auch in ihrer Theorie an Parallelgesellschaften gedacht habe. Doch eine schnelle Integration sei ohnehin illusorisch.