NSU-Prozess

Ein Aussteiger will aussagen

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Aussage des 33-jährigen Carsten S. dürfte für Urteil mitentscheidend sein.

Bisher war der NSU-Prozess in Deutschland von juristischen Fingerhakeleien geprägt. Doch wenn das Verfahren nach zwei Wochen Pause am Dienstag fortgesetzt wird, dürfte es spannend werden: Zwei der Angeklagten wollen aussagen, ihre Aussagen dürften für das Urteil mitentscheidend sein.

Den Anfang soll Carsten S. machen. Der heute 33-Jährige soll den untergetauchten Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) die Pistole der Marke "Ceska" besorgt haben, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Geschäftsleute ausländischer Herkunft ermordeten.

Carsten S. hatte sich seit längerem von der rechten Szene gelöst, er hat schon im Ermittlungsverfahren ausgesagt und ist in einem Zeugenschutzprogramm. Seine Geschichte ist vielleicht die tragischste aller Angeklagten: Als Jugendlicher merkte Carsten S., dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. In der Berufsschule suchte er Anschluss - und fand ihn in der rechten Szene. Das Gemeinschaftsgefühl habe ihn beeindruckt. Außerdem hatte er sich in einen Burschen verguckt, der rechts war. Szenekleidung und Springerstiefel fand er attraktiv.

Carsten S. suchte Anerkennung - und bekam eine Chance, sich zu beweisen. Nachdem Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe untergetaucht waren, trat Ralf Wohlleben an ihn heran. Wohlleben - lange Zeit in der rechtsextremen NPD aktiv und jetzt auch in München angeklagt - war in der rechten Szene eine bekannte Größe. Er ging davon aus, dass er überwacht würde. Deshalb machte er Carsten S. zum Verbindungsmann. Für den damals 18- oder 19-Jährigen war das eine Auszeichnung. Über ein eigens angeschafftes Handy hielt er den Kontakt.

Dann verlangten die Untergetauchten eine Waffe. Nach der Schilderung von S. war es Wohlleben, der ihn in einen rechten Szeneladen schickte, um die Pistole zu besorgen. Auch das Geld habe er von Wohlleben erhalten - er selbst hätte es von seinem Lehrlingsgehalt nicht auslegen können. 2500 Mark sollen es gewesen sein. Wohlleben habe die Waffe begutachtet, den Schalldämpfer aufgeschraubt. Dann habe S. die Pistole auftragsgemäß an Böhnhardt und Mundlos übergeben. Zschäpe habe nur kurz vorbeigeschaut, sei aber vor der Übergabe wieder gegangen.

Manches in den Aussagen bleibt offen oder widersprüchlich: Der Waffenverkäufer - er ist nicht angeklagt - sagte den Ermittlern, es sei eine Waffe mit Schalldämpfer bestellt worden; S. hingegen gab an, er habe erst nach der Übergabe gesehen, dass ein Schalldämpfer dabei ist. Die Frage ist wichtig, denn eine Waffe mit Schalldämpfer kann eigentlich nur einem Zweck dienen. S. sagt, er habe sich keine Gedanken darüber gemacht, wofür die drei die Waffe brauchten.

Das allerdings nimmt ihm die Bundesanwaltschaft nicht ab: Sowohl Wohlleben als auch Carsten S. hätten zumindest damit gerechnet, dass Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe die Waffe für Morde an Ausländern verwenden könnten, heißt es in der Anklage. Beiden wird deshalb Beihilfe an neun Morden vorgeworfen.

Im Jahr 2000 kehrte Carsten S. der rechten Szene den Rücken. Ihm sei klar geworden, dass er unter Neonazis nicht offen schwul leben könne, sagte er. Er zog nach Düsseldorf, studierte Sozialpädagogik. Seit Jahren lebte er mit seinem Freund zusammen, er arbeitete bei der Aids-Hilfe und dem Verein "Schwul-Lesbische Jugendarbeit". Was mit der Waffe passierte, darüber habe er nicht mehr nachgedacht. Auch von der Mordserie habe er erst im Nachhinein erfahren, sagte er den Ermittlern. In einer Vernehmung fing er an zu weinen. Er habe gedacht, mit dem Carsten von damals müsse er sich nie wieder auseinandersetzen. "Der war weg."

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