"Wegen Gott"

Entstellte Iranerin verzichtete auf "Auge-um-Auge"-Vergeltung

31.07.2011

Unterschiedliche Angaben über Hintergrund von Bahramis Entscheidung

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© REUTERS/Raheb Homavandi
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Eine Iranerin, die seit einem Säure-Attentat eines verschmähten Verehrers entstellt und blind ist, hat auf die umstrittene Bestrafung ihres Peinigers verzichtet. Die Vergeltung nach dem "Auge-um-Auge"-Prinzip, bei der Ameneh Bahrami ihren Peiniger mit ätzender Flüssigkeit blenden sollte, sei eigentlich für Sonntag geplant gewesen, berichtete der staatliche iranische Sender IRIB. Aber Bahrami habe in letzter Sekunde darauf verzichtet.

Die 32-Jährige sagte der Nachrichtenagentur ISNA, dass sie ihrem Peiniger in Teheran verziehen habe. "Ich habe dies aus diversen Gründen getan: wegen Gott, für mein Land und für mich selbst." Außerdem habe ihre Familie diese Rache nicht gewollt. "Ich habe sieben Jahre dafür gekämpft, dass diese 'Auge-um-Auge'-Bestrafung ausgeführt wird, aber ich fühle mich jetzt befreit, dass es nicht geschehen ist", sagte sie. Nun soll der iranische Staat sie bei der medizinischen Behandlung unterstützen.

Ein Mann hatte Bahrami 2004 Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet, weil sie seine Heiratsanträge abgelehnt hatte. Nach islamischem Recht erlaubt das "Auge-um-Auge"-Prinzip Opfern, dem Täter gleiches Leid zuzufügen. Bahrami bekam 2008 in einem Gerichtsurteil das Recht zugesprochen, dem Täter unter Betäubung Säure in die Augen zu träufeln. Der Mann saß bisher im Gefängnis, ob er nun freigelassen wird, war unklar. Bahrami lebt nach Angaben des Münchner mvg Verlags, in dem ihr Buch "Auge um Auge" erschienen ist, von Buchverkäufen und von Geld, das sie für Interviews bekommt.

Die Wende in dem Fall kam überraschend. Im Mai wollte Bahrami die Aktion noch ausführen, was großen Medienrummel auslöste. Dann erklärte sie sich aber bereit, für etwa zwei Millionen Euro darauf zu verzichten. Die iranische Justiz hatte zwar zugunsten der Frau entschieden, Bahrami aber angeblich gebeten, das Urteil - auch wegen internationaler Kritik - nicht zu vollstrecken.

Über den Hintergrund für Bahramis Entscheidung gab es jetzt unterschiedliche Angaben. Dem mvg Verlag sagte Bahrami am Telefon, dass sie den Entschluss auf den Verzicht schon vor sieben Jahren gefällt hätte und von iranischer Seite nicht unter Druck gesetzt worden sei.

Ihr Anwalt erklärte aber, dass er weder etwas über die Urteilsvollstreckung noch die Entscheidung seiner Mandantin gewusst habe. "Ich weiß von nichts, denn Ameneh wollte unbedingt die Vollstreckung des Urteils und hatte für einen Verzicht bestimmte Bedingungen", sagte Ali Sarafi der ISNA, ohne auf diese Bedingungen einzugehen.

Bahrami sagte laut Verlag, dass sie von keiner Seite einen Cent bekommen habe, auch keinen Schadenersatz. Mit der finanziellen Forderung nach zwei Millionen Euro habe sie die Menschenrechtsorganisationen bloßstellen und den Beweis antreten wollen, dass sie im konkreten Fall keine Hilfe leisten.

Bahrami lebt in Spanien, wo sie auch medizinisch behandelt wird. Trotz mehrerer Operationen ist sie auf einem Auge vollkommen und auf dem anderen fast blind.
 

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