"Das ist wie in den dreißiger Jahren, als es hieß: Kauft nicht beim Juden"
Die Verhaftung und Zwangsenteignung türkischer Unternehmer, die der Gülen-Bewegung nahestehen, wirkt sich bis nach Deutschland aus. Unter deutsch-türkischen Anhängern des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan kursieren Listen von Firmen, bei denen man nicht mehr einkaufen soll, berichtet die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer am morgigen Donnerstag erscheinenden Ausgabe.
Boykott
"Esst nicht in diesen Restaurants!", steht darin laut einer Vorausmeldung oder: "Kauft nicht in diesen Läden!". Es sind Boykottlisten, die bei Facebook und in Whats-App-Gruppen geteilt werden. Sie rufen dazu auf, gezielt Unternehmer in Deutschland zu boykottieren, die der Gülen-Bewegung nahestehen sollen: Friseure, Bauunternehmer, Restaurantbesitzer, Gemüsehändler, Ärzte.
Die Bewegung des muslimischen Predigers Fethullah Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch gegen Erdogan Mitte Juli verantwortlich gemacht. Nun werden Gülens angebliche und tatsächliche Unterstützer auch in Deutschland verfolgt: "Wir sind zur Zielscheibe geworden", sagt ein Druckereibesitzer aus dem Rheinland, der sich selbst als Gülen-Anhänger bezeichnet.
Angeschrien und beleidigt
Türkischstämmige Unternehmer aus Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg berichten der "Zeit" sie würden auf offener Straße angeschrien oder beleidigt: als Gülen-treue Vaterlandsverräter und Terroristen. Sie erhielten Morddrohungen, ihre Geschäfte würden beschmiert. In mehreren Städten werde in Moscheen öffentlich dazu aufgerufen, in bestimmten Läden nicht mehr einzukaufen.
"Das ist wie in den dreißiger Jahren, als es hieß: Kauft nicht beim Juden", sagt ein Lebensmittelhändler aus Gelsenkirchen, der anonym bleiben möchte. Unternehmer seien in ihren Läden überfallen worden. Die örtlichen Polizeidienststellen bestätigen die Übergriffe. In Nordrhein-Westfalen ermittelt der Staatsschutz.