Gegenseitige Schuldzuweisungen
Erdogan und Putin streiten nach wie vor um Idlib
27.08.2019
Staatschefs wollen Situation 'normalisieren' - Aber unterschiedliche Meinungen zu Idlib.
Moskau/Idlib. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Russlands Präsident Wladimir Putin sind einer Lösung der Krise in Nordsyrien am Dienstag zunächst offenbar nicht nähergekommen. Beide beteuerten aber, sich für eine "Normalisierung" der Situation in der umkämpften syrischen Rebellenbastion Idlib einsetzen zu wollen. Einen Plan zur Beendigung der Krise legten die beiden nicht vor.
"Die Situation in der Deeskalationszone Idlib bereitet uns und unseren türkischen Partnern ernste Sorgen", sagte Putin nach einem Treffen mit Erdogan in Moskau. "Wir haben verstanden, was wir gemeinsam unternehmen müssen, um dieses Problem zu lösen", so Putin. Die beiden Präsidenten hätten daher "zusätzlich gemeinsame Schritte" vereinbart, um die Situation zu "normalisieren".
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Trotz freundlicher Worte beharrten beide Staatschefs in Moskau weiterhin auf zuvor schon geäußerten Schuldzuweisungen. Putin sagte, die Rebellen versuchten zunehmend, russische Militäranlagen anzugreifen. "Die Zone sollte nicht zu einem Zufluchtsort für die Kämpfer oder zum Brückenkopf für neue Angriffe werden."
Erdogan wiederum sagte, es sei "inakzeptabel, dass das (syrische) Regime aus der Luft und vom Boden Tod über Zivilisten herabregnen lässt unter dem Vorwand, Terroristen zu bekämpfen". Die "Provokationen des syrischen Regimes" hätten einen Punkt erreicht, an dem sie das Leben der türkischen Soldaten in der Region riskierten. Das Treffen mit Putin nannte er aber "sinnvoll".
Erdogan und Putin hatten im vergangenen September im russischen Sotschi eine Waffenruhe zwischen Rebellen und Regierungstruppen in Idlib vereinbart. Durch das Abkommen wurde eine damals drohende Offensive von Machthaber Bashar al-Assad abgewendet, doch wurde die Vereinbarung nie komplett umgesetzt. Seit Ende April gehen die Assad-Truppen mit Unterstützung der russischen Luftwaffe wieder verstärkt gegen die überwiegend islamistischen Rebellen in Idlib vor, in dessen Grenzbereichen die Türkei eine Reihe von Beobachtungsposten hat.
Tiefe Differenzen zwischen Türkei und Russland
Die jüngste Offensive hat die tiefen Differenzen zwischen den beiden Ländern offen gelegt. Auch wenn sie sich seit Anfang 2017 gemeinsam für eine militärische Deeskalation und eine politische Lösung in Syrien einsetzen, stehen sie doch auf verschiedenen Seiten in dem Konflikt. Während Russland die Schutzmacht der syrischen Regierung ist, unterstützt die Türkei verschiedene Rebellengruppen in Idlib.
Die Offensive der syrischen Armee hat auch die türkische Armee zwischen die Fronten gebracht. Einer ihrer Beobachtungsposten zur Überwachung der Waffenruhe in Idlib wurde vergangene Woche von der syrischen Armee eingekreist. "Die Situation ist so kompliziert geworden, dass unsere Truppen im Moment in Gefahr sind", sagte Erdogan in Moskau. Die Türkei werde aber "alle nötigen Maßnahmen ergreifen", um ihre Soldaten zu schützen.
Am 16. September wollen Erdogan und Putin den iranischen Präsidenten Hassan Rouhani zu einem weiteren Syrien-Gipfel in Ankara treffen.