Nach Parlamentsvotum

Erdogan will Todesstrafe genehmigen

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"Wenn die Menschen die Todesstrafe wollen, folgen die Parteien ihrem Willen."

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat bei einer Großkundgebung gegen den Putschversuch vor drei Wochen die Einführung der Todesstrafe in Aussicht gestellt. "Wenn das Volk die Todesstrafe will, werden die Parteien seinem Willen folgen", sagte Erdogan am Sonntag vor rund Millionen Menschen in Istanbul.

Erdogan ging mit seiner Äußerung offenbar auf die Rufe von Demonstrationsteilnehmern ein, die lauthals "Todesstrafe" skandierten. Sollte das Parlament für die Todesstrafe stimmen, würde er diese Entscheidung ratifizieren, ergänzte er und hob überdies hervor, dass "die meisten Länder" die Todesstrafe anwendeten. "Offenbar gibt es keine Todesstrafe in Europa, aber es haben sie die Vereinigten Staaten, Japan, China. Die meisten Länder wenden sie an", sagte der Präsident.

"Demokratie und Märtyrer"

Die Kundgebung auf dem Istanbuler Yenikapi-Platz stand unter dem Motto "Demokratie und Märtyrer". Neben Erdogans islamisch-konservativer Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) waren auf Einladung des Präsidenten auch Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu von der Mitte-Links-Partei CHP und der Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, gekommen. Nicht eingeladen zu der Kundgebung wurde die pro-kurdische HDP. Erdogan wirft der zweitgrößten Oppositionspartei im Parlament Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK vor.

Ministerpräsident und AKP-Chef Binali Yildirim hatte Parteiflaggen untersagt, um eine Veranstaltung über Parteigrenzen hinweg zu ermöglichen. Auf Fernsehbildern war ein Meer an türkischen Flaggen zu sehen. Yildirim dankte Kilicdaroglu und Bahceli bei der Kundgebung für ihre Unterstützung während und nach dem Putschversuch.

Fünf Millionen Teilnehmer

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, an der Großkundgebung hätten rund fünf Millionen Menschen teilgenommen. Anwesende sprachen zwar ebenfalls von einer Millionenzahl, hielten fünf Millionen allerdings für übertrieben.

Bei dem gescheiterten Putsch am 15. Juli waren mindestens 273 Menschen getötet worden, darunter nach Darstellung der Regierung 239 "Märtyrer", also Zivilisten und regierungstreue Sicherheitskräfte. Erdogan reagierte mit der Verhängung des Ausnahmezustands auf den Putschversuch. Seither wurden mehr als 60.000 Menschen verhaftet oder entlassen, darunter Richter, Staatsanwälte und Journalisten. International stößt das Vorgehen auf scharfe Kritik, Erdogan wird teils auch vorgeworfen, er strebe eine autoritäre Alleinherrschaft an.

Warnung vor Todesstrafe

Die Europäische Union hatte wiederholt davor gewarnt, dass eine Einführung der Todesstrafe in der Türkei ein Ende der Beitrittsverhandlungen bedeuten würde. Das bekräftigte auch der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel am Sonntagabend. Sollte die Türkei die Einführung der Todesstrafe beschließen, würde sie gegen ein zentrales Element der Grundrechte-Charta verstoßen. "Und dann macht es keinen Sinn, über Beitritt zu verhandeln", sagte der SPD-Chef in einem ARD-Interview.

Anders als österreichische Politiker ist Gabriel gegen einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) will sich in der EU dafür stark machen, einen Ausstieg aus den Beitrittsgesprächen mit Ankara zu überlegen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte, ein Veto gegen das Eröffnen weiterer Verhandlungskapitel einlegen zu wollen. Dafür gab es scharfe Kritik aus der Türkei. Der türkische Außenminister Ahmet Cavusoglu hatte am Freitag Österreich als "Hauptstadt des radikalen Rassismus" bezeichnet, Erdogans Berater Burhan Kuzu schrieb am Sonntag via Internet-Kurznachrichtendienst an Kern: "Verpiss dich, Ungläubiger!"

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