Wiedereinführung
Erdogan will Todesstrafen-Gesetz unterzeichnen
25.11.2016
Dies würde die Suspendierung der EU-Beitrittsgespräche bedeuten.
Nach seiner Drohung mit einer Aufkündigung des Flüchtlingspakts hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auch die Bereitschaft zur Wiedereinführung der Todesstrafe bekräftigt. Sollte das Parlament ein entsprechendes Gesetz beschließen, werde er dieses unterschreiben, sagte Erdogan am Freitag bei einer Rede in Istanbul.
Todesstrafe bedeutet Ende der Beitrittsverhandlungen
Erdogan reagierte damit auf Rufe aus dem Publikum, das "Wir wollen die Todesstrafe" skandierte. "Wenn ihr das fordert, irritiert das die Herren", sagte der Präsident. "Demokratie besteht darin, den Willen des Volkes zu respektieren."
Erdogan hatte nach dem Militärputsch angekündigt, er werde die Bevölkerung per Referendum zur Wiedereinführung der Todesstrafe befragen. Vertreter der EU haben wiederholt erklärt, dass eine Wiedereinführung der Todesstrafe das Ende der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bedeute. Das EU-Parlament hatte am Donnerstag ein vorläufiges Einfrieren der Beitrittsgespräche gefordert und in einer Entschließung erklärt, sollte die türkische Regierung ihre Ankündigung zur Wiedereinführung der Todesstrafe umsetzen, müsse dies zum "offiziellen Abbruch des Beitrittsprozesses" führen.
Drohung mit Aufkündigung des Flüchtlingspaktes
Nach der Empfehlung des EU-Parlamentes drohte Erdogan auch offen mit der Aufkündigung des Flüchtlingspaktes. "Passt auf, wenn ihr noch weitergeht, dann werden diese Grenzübergänge geöffnet. Lasst euch das gesagt sein", sagte Erdogan am Freitag in Istanbul an die Adresse der Europäischen Union.
Die EU reagierte zunächst gelassen auf die Drohung. Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht unter anderem vor, dass Europa alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Für jeden zurückgeführten Syrer soll ein Syrer aus der Türkei legal in die EU kommen können. Bisher werden aber kaum Syrer aus den Aufnahmelagern in Griechenland in die Türkei zurückgeschickt.
Resolution nicht bindend
Am Vortag hatte das Europaparlament der Kommission und den Mitgliedstaaten empfohlen, vorerst nicht weiter mit Ankara über einen EU-Beitritt zu reden. Die Resolution ist rechtlich nicht bindend. Die Kommission wird der Aufforderung voraussichtlich nicht nachkommen. Eine große Symbolkraft hat die Resolution dennoch.
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte am Freitag zu Erdogans Äußerungen, zu "hypothetischen Szenarien" äußere man sich nicht. "Wir arbeiten für den Erfolg des Abkommens zwischen der EU und der Türkei."
"Ihr habt euch der Menschheit gegenüber nie ehrlich verhalten"
Die Türkei hat rund drei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und ist eines der Hauptdurchgangsländer für Migranten aus Asien und Afrika nach Europa. Schon in der Vergangenheit hatte die türkische Führung den EU-Staaten mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens mit der EU gedroht.
Zu der Entscheidung des EU-Parlamentes sagte Erdogan, er halte nichts von "leeren Drohungen". Bereits vor der Abstimmung hatte der Präsident erklärt, dass er sie für wertlos halte. Zugleich warf er der EU vor, nicht aufrichtig zu sein: "Ihr habt euch der Menschheit gegenüber nie ehrlich verhalten", sagte er. In einer weiteren Rede am Freitag unterstellte Erdogan, Europa hätte sich gefreut, wäre der Putsch vom 15. Juli erfolgreich gewesen.
Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel angespannt
"Eine derartige Wortwahl bestätigt leider, dass wir uns hier in keine Abhängigkeit mit der Türkei begeben dürfen", sagte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) in einer Aussendung. Er dränge national weiter auf die Sonderverordnung mit einer gesetzlich verankerten Obergrenze für zugelassene Asylwerber um im Falle einer neuerlichen Flüchtlingswelle vorbereitet zu sein. "Keinesfalls werde ich die innere Sicherheit Österreichs von Drohungen des türkischen Präsidenten abhängig machen", meinte Sobotka.
Die EU hatte der Türkei auch zugesagt, nach Erfüllung von 72 Kriterien die Visumpflicht für türkische Staatsbürger aufzuheben. Vor allem eines der Kriterien, die Reformierung der Terrorgesetze, ist ein Streitpunkt zwischen Ankara und Brüssel. Die Türkei weigert sich, diese anzupassen und argumentiert, sie benötige diese zum Kampf gegen den Terrorismus. Die EU dagegen befürchtet, die Türkei könne die Gesetze missbrauchen, um gegen Oppositionelle vorzugehen.
Das Verhältnis zwischen Ankara und Brüssel war zuletzt extrem angespannt, vor allem nach der Inhaftierung von Journalisten und kurdischen Oppositionspolitikern nach dem Putschversuch türkischer Militärs vom Juli. Die Türkei geht massiv gegen mutmaßliche Putschisten, aber auch gegen Regierungskritiker vor. Nach Medienangaben sitzen mehr als 36.000 Menschen in Untersuchungshaft. Mehr als 75.000 zivile Staatsbedienstete und Angehörige der Sicherheitskräfte wurden entlassen.